Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
The Green Mile

The Green Mile

Titel: The Green Mile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
Seite. John zuckte zusammen, ergriff die Hand und schüttelte sie. Auf, ab, wieder zur Mitte, loslassen. »Keine Ursache«, sagte er mit heiserer Stimme. Die Stimme klang für mich wie vorhin die von Melly, als sie in die Hände geklatscht und John aufgefordert hatte, die Hosen runterzulassen. »Keine Ursache«, sagte John und schüttelte dem Mann die Hand, der beim normalen Lauf der Dinge mit dieser Hand John Coffeys Hinrichtungsbefehl unterzeichnen würde.
    Harry tippte wieder demonstrativ auf seine Armbanduhr, diesmal noch drängender.
    »Brutus?«, sagte ich. »Bereit?«
    »Hallo, Brutus«, sagte Melinda fröhlich, als bemerkte sie ihn zum ersten Mal. »Schön, Sie zu sehen. Möchten die Gentlemen einen Tee? Möchtest du Tee, Hal? Ich kann welchen machen.« Sie erhob sich wieder. »Ich war krank, aber jetzt fühle ich mich prima. Besser als seit Jahren.«
    »Danke, Mrs. Moores, aber wir müssen los«, sagte Brutal.
    »John muss ins Bett.« Er lächelte, um zu zeigen, dass es ein Scherz war, aber sein Blick auf John war so besorgt, wie ich mich fühlte.
    »Nun … wenn Sie wirklich los müssen …«
    »Ja, Ma’am. Komm, John Coffey.« Brutal zupfte an Johns Arm, und John ging los.
    »Einen Moment noch!« Melinda entzog sich Hals Hand und lief so leichtfüßig wie ein Mädchen zu John. Sie legte die Arme um ihn und herzte ihn noch einmal. Dann griff sie an ihren Nacken und hakte eine dünne Kette auf. An der Kette hing ein silbernes Medaillon. Sie hielt es John hin, der verständnislos darauf schaute.
    »Das ist der Heilige Christophorus«, sagte sie. »Ich möchte, dass Sie das Medaillon nehmen und tragen, Mr. Coffey. Er wird Sie beschützen. Bitte, tragen Sie es. Für mich.«
    John blickte unschlüssig zu mir, und ich schaute zu Hal, der erst die Hände ausbreitete und dann nickte.
    »Nimm sie, John«, sagte ich. »Es ist ein Geschenk.« John nahm sie, schlang die Kette um seinen Stiernacken und steckte das Christophorus-Medaillon in sein Hemd. Das Husten hatte jetzt völlig aufgehört, aber ich fand, dass er grauer und kränker denn je aussah. »Danke, Ma’am«, sagte er.
    »Nein«, erwiderte sie. » Ich danke Ihnen, John Coffey.«

9
    Ich fuhr auf der Rückfahrt mit Harry im Führerhaus, und ich war verdammt froh darüber. Die Heizung war zwar defekt, aber wir waren wenigstens nicht an der kalten Luft. Nach ungefähr zehn Meilen entdeckte Harry eine kleine Ausweichstelle und lenkte den Truck darauf.
    »Was ist los?«, fragte ich. »Ist es ein Lager?« Meiner Ansicht nach konnte nichts anderes das Problem sein; jedes Teil von Motor und Getriebe des Farmalls klang, als stünde es am Rande der Erschöpfung oder als würde es bald den Geist aufgeben.
    »Nee«, sagte Harry entschuldigend. »Ich muss mal pinkeln, mehr nicht. Meine Augen laufen schon gelb an.«
    Es stellte sich heraus, dass wir das alle mussten – außer John. Als Brutal ihn fragte, ob er absteigen und uns beim Bewässern der Büsche helfen wollte, schüttelte er nur den Kopf, ohne aufzublicken. Er lehnte an der Rückseite des Führerhauses und hatte sich eine der Decken über die Schultern gehängt wie einen Umhang. Ich konnte nichts von seiner Miene sehen, aber ich hörte sein trockenes, rasselndes Atmen. Es klang wie Wind, der durch Stroh pfeift. Es gefiel mir nicht.
    Ich ging zwischen eine Gruppe Weiden, knöpfte die Hose auf und ließ das Wasser laufen. Mein Harnwegsinfekt war noch nicht so lange her, dass mein Körper ihn schon wieder vollkommen vergessen hatte, und ich war einfach dankbar, dass ich pinkeln konnte, ohne schreien zu müssen. Ich stand dort, erleichterte mich und schaute zum Mond empor. Ich nahm kaum wahr, dass Brutal neben mir stand und das Gleiche tat, bis er mit leiser Stimme sagte: »Er wird nie auf Old Sparky sitzen.«
    Ich schaute zu ihm, überrascht und ein wenig bestürzt über die Gewissheit in seiner Stimme. »Was meinst du damit?«
    »Ich meine, er hat dieses Zeug geschluckt, anstatt es auszuspucken wie zuvor, was ja einen Grund gehabt haben muss. Es dauert vielleicht eine Woche – er ist ja groß und stark -, aber ich wette, es geht schneller. Einer von uns wird seinen Kontrollgang machen, und dann wird John mausetot auf seiner Pritsche liegen.«
    Ich hatte gedacht, ich hätte zu Ende gepinkelt, aber bei diesen Worten lief mir ein Schauer über den Rücken, und es spritzte noch etwas mehr heraus. Als ich meine Hose zuknöpfte, sagte ich mir, dass Brutals Worte völlig stimmig waren. Und ich hoffte, dass er recht

Weitere Kostenlose Bücher