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The Green Mile

The Green Mile

Titel: The Green Mile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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von tropfendem Wasser. Hängelampen mit kruden Zinnschirmen – sie wurden in der Gefängniswerkstatt angefertigt – beleuchteten eine Backsteinröhre, die dreißig Fuß unter dem Highway verlief. Die Decke war gewölbt und nass. Jedes Mal, wenn ich durch den Tunnel ging, fühlte ich mich wie eine Figur aus einer Geschichte von Edgar Allan Poe.
    Im Tunnel wartete eine Trage. Wir luden Bitterbucks Leiche darauf, und ich überprüfte sie ein letztes Mal, um mich zu vergewissern, dass sein Kopf nicht mehr brannte. Der eine Zopf war ziemlich verkohlt, und mit Bedauern sah ich, dass die niedliche kleine Schleife an dieser Seite des Kopfes nur noch ein schwarzer Klumpen war.
    Percy gab dem Toten eine Ohrfeige. Bei dem Klatschen zuckten wir alle zusammen. Percy schaute uns mit einem spöttischen, arroganten Lächeln an, und seine Augen glitzerten. Dann blickte er wieder auf Bitterbuck. »Adios, Chief«, sagte er. »Ich hoffe, die Hölle ist heiß genug für dich.«
    »Lass das sein«, fuhr Brutal ihn an, und seine Stimme klang hohl und pathetisch durch den tropfenden Tunnel. »Er hat für seine Schuld bezahlt. Sein Konto ist ausgeglichen. Lass die Finger von ihm.«
    »Ah, blas dich nicht auf«, erwiderte Percy, aber er wich unsicher zurück, als sich Brutal auf ihn zu bewegte und sein Schatten groß hinter ihm aufragte wie der des Affen in Poes Erzählung über die Rue Morgue. Aber statt sich Percy zu greifen, schnappte sich Brutal die Trage und schob Arlen Bitterbuck langsam zum fernen Ende des Tunnels, wo der auf dem Standstreifen neben dem Highway geparkte Fleischwagen auf ihn wartete. Die Hartgummireifen der Trage wimmerten auf dem Boden; ihr Schatten geisterte über die gewölbte Backsteinwand, wurde verzerrt und verschwamm. Dean und Harry zogen das Laken über das Gesicht des Chiefs, das bereits wächsern und ausdruckslos wie alle toten Gesichter geworden war, die Gesichter der Unschuldigen und Schuldigen gleichermaßen.

6
    Als ich achtzehn war, starb mein Onkel Paul – der Mann, nach dem ich benannt worden bin – an einem Herzanfall. Meine Eltern nahmen mich mit nach Chicago zu seiner Beerdigung und zum Besuch von Verwandten der Familie väterlicherseits, von denen ich viele noch nie gesehen hatte. Wir waren fast einen Monat unterwegs. Einerseits war das ein schöner Ausfug, ein nötiger und aufregender, andererseits ein schrecklicher. Wissen Sie, ich war ganz schrecklich in die junge Frau verliebt, die zwei Wochen nach meinem neunzehnten Geburtstag meine Ehefrau werden sollte. Eines Nachts, als mein Verlangen nach ihr wie ein außer Kontrolle geratenes Feuer in meinem Herzen und meinem Kopf brannte (ach ja, in Ordnung, auch in meinen Eiern), schrieb ich ihr einen Brief, der einfach nicht enden wollte – ich schüttete ihr mein ganzes Herz darin aus und schaute nie zurück, was ich geschrieben hatte, weil ich befürchtete, aus Feigheit aufzuhören. Ich hörte nicht auf, und als mir eine innere Stimme ziemlich ungehalten sagte, dass es verrückt sei, solch einen Brief abzuschicken, ignorierte ich sie wie ein Kind, das nicht an die Konsequenzen seines Handelns denkt. Ich habe mich oft gefragt, ob Janice diesen Brief aufbewahrt hat, aber ich brachte nie genug Mut auf, um sie zu fragen. Ich weiß nur ganz sicher, dass ich den Brief nicht fand, als ich nach der Beerdigung in ihren Sachen stöberte, aber das heißt wahrscheinlich nichts. Ich nehme an, ich fragte nie, weil ich befürchtete, dass diese flammende Epistel ihr weniger bedeutete als mir.
    Der Brief war vier Seiten lang. Ich dachte, ich würde in meinem Leben nie etwas Längeres schreiben, und nun sehen Sie sich das hier an. Schon so viel, und immer noch kein Ende in Sicht. Wenn ich gewusst hätte, dass die Geschichte so lang werden würde, hätte ich sie bestimmt niemals angefangen. Mir war nicht klar, wie viele Türen das Schreiben aufschließt – als ob der alte Füllfederhalter meines Dads in Wahrheit überhaupt kein Füller wäre, sondern eine seltsame Variante eines Dietrichs. Die Maus ist vermutlich das beste Beispiel, um klarzumachen, wovon ich rede – Steamboat Willy, Mr. Jingles, die Maus auf der Green Mile. Bis ich mit dem Schreiben anfing, war mir nicht klar, wie wichtig er (ja, er) war. Zum Beispiel die Art, wie Mr. Jingles nach Delacroix zu suchen schien, bevor er eintraf – ich bezweifle, dass mir das je in den Sinn kam, jedenfalls nicht bewusst, bis ich mit dem Schreiben und dem Erinnern begann.
    Vermutlich will ich damit sagen, dass ich

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