Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
The Green Mile

The Green Mile

Titel: The Green Mile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
Hal Moores, schließlich die Kontrolle über sich verliert, ist das ein schlimmer Anblick. Ich stand einen Moment lang da, und dann ging ich zu ihm und legte einen Arm um seine Schulter. Er klammerte sich mit beiden Händen an mich wie ein Ertrinkender und begann noch hemmungsloser zu schluchzen. Später, als er sich wieder unter Kontrolle hatte, entschuldigte er sich. Er sah mir dabei nicht in die Augen. Er wirkte wie ein Mann, der sich furchtbar schämt, weil er sich so hat gehen lassen, vielleicht so sehr schämt, dass er nie darüber hinwegkommt. Manche Menschen können denjenigen sogar hassen, der sie in einer solchen Verfassung gesehen hat. Ich sagte mir, dass Direktor Moores nicht zu diesen Leuten zählte, aber es kam mir nie in den Sinn, jetzt noch zu erledigen, was ich ursprünglich vorgehabt hatte, und als ich Moores’ Büro verließ, ging ich hinüber zu Block E und nicht zurück zu meinem Wagen. Das Aspirin wirkte inzwischen, und der Schmerz in meinem Unterleib war nur ein dumpfes Pulsieren. Ich nahm an, dass ich den Tag irgendwie überstehen würde. Ich würde Wharton in Empfang nehmen, am Nachmittag noch einmal mit Hal Moores sprechen und mich für morgen krankmelden. Das Schlimmste hatte ich hinter mir, so dachte ich, und ich hatte nicht die geringste Ahnung, dass das größte Unheil dieses Tages noch nicht einmal begonnen hatte.

11
    »Wir dachten, er wäre zugedröhnt von den Untersuchungen«, sagte Dean am späten Nachmittag. Seine Stimme war leise und rau, fast wie ein Bellen, und er hatte blaue Flecken am Hals. Ich sah ihm an, dass ihm das Sprechen Schmerzen bereitete, und ich wollte ihn auffordern, es sein zu lassen, doch manchmal schmerzt es mehr zu schweigen. Das war vermutlich so ein Augenblick, und ich hielt den Mund. »Wir alle dachten, er wäre noch halb betäubt, nicht wahr?«, krächzte Dean.
    Harry Terwilliger nickte. Sogar Percy, der sich abgesondert hatte und sich selbst auf seiner kleinen, verdrossenen Ein-Mann-Party genug war, nickte zustimmend.
    Brutal schaute zu mir, und für einen Moment trafen sich unsere Blicke. Wir dachten so ziemlich das Gleiche, nämlich dass es nun mal passiert war. Man denkt, man hat alles im Griff, alles läuft nach den Regeln, dann macht man einen Fehler, und ruckzuck fällt einem der Himmel auf den Kopf. Sie hatten gedacht, er wäre noch zugedröhnt, eine durchaus vernünftige Annahme, aber keiner hatte gefragt, ob er tatsächlich unter Beruhigungsmitteln stand. Ich glaubte, noch etwas anderes in Brutals Augen zu sehen: Harry und Dean würden aus ihrem Fehler lernen. Besonders Dean, den wir um ein Haar tot nach Hause zu seiner Familie hätten schicken müssen. Percy würde nicht lernen. Vielleicht konnte er das nicht. Percy konnte sich nur in eine Ecke hocken und schmollen, weil er wieder Mist gebaut hatte.
    Sieben Mann fuhren rauf nach Indianola, um Wild Bill Wharton abzuholen: Harry, Dean, Percy und zwei andere Wärter hinten im Transporter (ich habe ihre Namen vergessen, obwohl ich überzeugt bin, dass ich sie mal kannte), plus zwei, die vorn saßen. Sie fuhren mit dem Wagen, den wir nach den alten Postkutschen die Stagecoach getauft hatten – ein geschlossener Ford-Truck, der mit Stahl verstärkt worden war und angeblich kugelsichere Scheiben hatte. Er sah aus wie eine Kreuzung zwischen einem Milchtransporter und einem Panzerwagen.
    Harry Terwilliger war theoretisch der Leiter der Expedition. Er überreichte dem County-Sheriff (nicht Homer Cribus, sondern einem anderen gewählten Bauerntrampel, denke ich mal) die Papiere und bekam im Austausch Mr. William Wharton überreicht – den Krawallbruder extraordinaire, wie Delacroix vielleicht gesagt hätte. Eine Gefängnisuniform von Cold Mountain war vorausgeschickt worden, aber der Sheriff und seine Männer hatten sich nicht die Mühe gemacht, Wharton hineinzustecken; das überließen sie unseren Jungs. Wharton trug ein Krankenhemd aus Baumwolle und billige Pantoffeln, als sie ihn zum ersten Mal im zweiten Stock des Krankenhauses trafen, ein dürrer Mann mit schmalem Pickelgesicht und langem, blondem Haar. Sein Arsch, ebenfalls schmal und mit Pickeln bedeckt, ragte hinten aus dem Krankenhemd heraus. Das war der Teil von ihm, den Harry und die anderen zuerst sahen, denn Wharton stand am Fenster und schaute auf den Parkplatz, als sie eintraten. Er drehte sich nicht um, sondern verharrte einfach in seiner Haltung, hielt mit einer Hand den Vorhang zurück, stumm wie eine Puppe, während sich Harry beim

Weitere Kostenlose Bücher