The Haunted
es mit einem anderen Blickwinkel. Über den Spiralblock gebeugt, notierte ich einige der Dinge, die ich an Kristen bewundert hatte. Ihr Lachen. Ihr ansteckendes Lächeln. Ihre Liebenswürdigkeit. Ihre Loyalität. Ihre vehemente Verteidigung unserer Freundschaft. Wenn ich die Leute dazu brachte, diese Seiten von ihr zu erkennen, dann hatte ich meine Sache gut gemacht. Sie zu lieben, war leicht gewesen.
Zufrieden mit dem, was ich aufgeschrieben hatte, schlief ich noch einmal, und als ich wieder aufwachte, hatte ich noch genügend Zeit, um mich fertig zu machen. Ich wusste sofort, was ich anziehen wollte. Das Einzige, was infrage kam, war das korsagenartige kastanienbraune Top, das sie so sehr gemocht hatte. Ich hatte es aus ihrem Schlafzimmer mitgenommen, nachdem ich ihre Tagebücher gefunden hatte. Dazu wählte ich einen fließenden schwarzen Rock. Das hätte ihr gefallen.
»Stiefel oder flache Schuhe, Kristen?«, fragte ich, während ich meinen Schrank durchsuchte. Ein schwerer schwarzer Stiefel fiel mir mit einem dumpfen Geräusch vor die Füße. Ich sah auf ihn hinunter. »Okay. Die Stiefel also.« Ich schnürte sie zu und ging ins Bad, um meine Haare zu stylen. Zehn Minuten später war ich fertig.
Auf dem Weg zum Wagen fiel mir gerade noch ein, dass ich meinen Spiralblock vergessen hatte; ich lief ins Haus zurück, um ihn zu holen. Mein Magen krampfte sich vor Aufregung zusammen und die kurze Fahrt bis zur Brücke verging viel zu schnell.
»Wie viele Leute werden da sein?«, fragte ich Mom, während Dad auf den Parkplatz der alten holländischen Kirche einbog. Sie befand sich direkt neben der Brücke und es sah aus, als würden dort alle parken.
»Fünfzig oder hundert. Ich weiß auch nicht genau. Aber mehr glaube ich nicht.«
Ich schluckte schwer, faltete die Hände und drückte sie aneinander, bis sie weiß wurden. Der feste Druck war eine gute Ablenkung von der Angst, die mir in der Kehle steckte. Bei dem Gedanken, dass mir gleich »fünfzig oder hundert« Menschen zuhören würden, wurde mir fast schlecht.
»Seid ihr wirklich sicher, dass ich das machen muss?«, fragte ich. »Wieso soll ausgerechnet ich etwas über sie erzählen?«
Mom stieg aus und strich die Säume ihres schwarzen, knitterfreien Hosenanzugs glatt. Dann sah sie mich an, hielt kurz inne und sagte: »Weil du ihre beste Freundin warst, Abbey. Du kanntest sie besser als irgendjemand sonst.«
Ich öffnete den Gurt, kletterte aus dem Wagen und hielt mich an den Seiten meines Rocks fest. Der Parkplatz war voll. Es erinnerte mich an Kristens Beerdigung. Damals hatte es nur noch Stehplätze gegeben. Und das, obwohl es geregnet hatte.
Wenn ich mich jetzt umdrehen und zum Mausoleum auf dem Hügel hinaufschauen würde, wäre er dann da? Würde er dort oben stehen und mich beobachten? Weißblondes Haar und schwarzer Anzug. Grüne Augen und ein ungezwungenes Lächeln. Caspian …
Ich verdrängte den Gedanken und packte meinen Rock noch fester. Schweiß perlte mir über den Rücken und ich wand mich unbehaglich. Einige Leute standen bei ihren Autos, die meisten rauchten und unterhielten sich, und in der Nähe lief der Dienstwagen eines lokalen Fernsehsenders im Leerlauf. Eine Reporterin befestigte ein Kabel unter ihrem Jackett.
Mom sagte etwas zu mir, aber ich hörte sie nicht. Ich war voll und ganz darauf konzentriert, diese Sache zu überstehen und hinter mich zu bringen. Ich konnte an nichts anderes denken als daran, wie sehr ich mir wünschte, nicht hier zu sein.
Wir überquerten die Straße und gingen an einem Polizisten vorbei, der den Verkehr regelte und ein Warnschild hochhielt. Als wir auf die riesigen Holzbalken zugingen, aus denen der Hauptbogen der neuen Brücke bestand, schaute ich hinauf. Es gab keine Fensteröffnungen in den Seiten der Brücke, die dadurch sehr klobig und merkwürdig wirkten. Überall waren spitze Winkel, raue Fugen und Risse. Ganz anders als das, was ich mir aufgrund der Legende von Sleepy Hollow vorstellte.
Die Brücke war fehl am Platz … Genau wie ich.
Auf dem Gehsteig an der Seite der Brückenauffahrt war ein Podium aufgestellt worden. Der Mann, der dahinter stand, winkte uns zu sich. Wir mussten uns den Weg durch mehrere dicht gedrängte Menschengruppen bahnen. Auf dem Betonboden der Brücke war nicht mehr viel Platz.
Der Mann stellte sich als Robert vor, der Organisator der Einweihungsfeier. Er und Mom begannen, miteinander zu reden. Soweit ich es mitbekam, würde er während der Feier gar nichts tun,
Weitere Kostenlose Bücher