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The Haunted

The Haunted

Titel: The Haunted Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Verday
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verzog das Gesicht und war mehr als froh, als sie die Flasche endlich wieder abstellte. Dann schaute ich zu Dad, doch er schien nicht zu wissen, was er tun sollte.
    Mom nahm ihr Glas zur Hand und wartete darauf, dass wir ihrem Beispiel folgten. »Na los, kommt schon«, drängte sie. »Einen Toast!«
    Ben und ich erhoben unsere Gläser. Das Gefühl leichter Übelkeit war zurückgekehrt und ich betete, dass diese Szene rasch vorübergehen möge.
    »Vor siebzehn Jahren«, begann Mom, »kam mein wunderbares kleines Mädchen auf diese Welt. Und ich war überglücklich. Meine wunderschöne Tochter, Abigail Amelia …« Ich zuckte zusammen, als sie meinen zweiten Vornamen sagte. Niemand kannte ihn.
    Na gut, streichen wir das. Jetzt kannte ihn zumindest eine Person.
    »Von deinem ersten Schritt zu deinem ersten Wort. Deinem ersten Schultag und deinem ersten lockeren Zahn …« Sie verlor den Faden und starrte ins Leere. Dann fasste sie sich wieder und nahm einen kräftigen Schluck Wein.
    »Un’ schau dich jetzt an!«, fuhr sie abrupt fort. »Vollkommen erwachsen! Geschäftspläne macht sie. Und Lebenspläne. Hier, an ihrem Geburtstag, mit einem jungen Mann …« Sie grinste Ben zu.
    Oh Gott, das wird ja immer schlimmer. Ich räusperte mich.
    »Ich freue mich einfach so, dass du wieder bei uns bist, Abbey«, sagte sie und sah mich an. »Ich bin so froh, dass du zu Hause bist. Und keinen Doktor mehr brauchst. Ich hab dich wirklich vermisst …«
    »Ich glaube, was deine Mutter dir sagen will, ist, dass wir natürlich stolz sind auf das Mädchen, das du warst, aber dass wir noch viel stolzer sind auf die junge Frau, die du wirst. Bravo, bravo!«
    Gott sei Dank hatte Dad eingegriffen und ihr das Wort abgeschnitten. Ich hatte schon einige Schweißausbrüche bekommen.
    »Bravo, bravo!«, wiederholte Mom und erhob ihr Glas.
    Ich folgte ihrem Beispiel und trank den wenigen Wein, den ich hatte, in einem Schluck. Ben machte es ebenso.
    »Und jetzt schneide ich den Kuchen an!«, trällerte Mom.
    Dad nahm ihr das Weinglas ab. »Schon gut, Liebes. Wollen wir Abbey und Ben nicht ein wenig allein lassen? Ich könnte ganz gut deine Hilfe gebrauchen, im … Wohnzimmer.«
    Mom nickte und legte sich einen Finger auf die Lippen. »Schhhh, es ist Zeit, ein wenig allein zu sein.« Sie kicherte. »Ich verstehe.«
    Sie blinzelte uns nicht eben subtil zu und ließ sich von Dad aus dem Zimmer führen.
    Verzweifelt nach etwas suchend, womit ich von der Situation ablenken konnte, sprudelte ich den erstbesten Gedanken heraus, der mir einfiel. »Möchtest du ein bisschen nach draußen gehen, frische Luft schnappen?«, fragte ich Ben. »Puh, also mir würde ein bisschen frische Luft jetzt wirklich guttun.«
    Ben nickte, wir stellten unsere Gläser ab und ich ging voraus. In diesem Augenblick knurrte mein Magen fürchterlich laut.
    »Nimm doch den Kuchen mit«, schlug Ben vor. »Dann essen wir draußen etwas davon.«
    Ich nickte und griff nach dem Kuchenteller. »Gabeln?«
    »Dafür hat Gott Finger gemacht«, erwiderte er.
    Der Kuchen zitterte in meinen Händen, kleine Kleckse aus Zitronenpudding liefen auf der Platte umher. Ben hielt mir die Tür auf. Mit einem tiefen Atemzug trat ich in den schwülen Abend hinaus. Und fragte mich, ob diese Nacht irgendwie noch schlimmer werden konnte.

Kapitel acht – Morsealphabet
    »Jeder Ton der Natur erregte in dieser Zauberstunde seine aufgeregte Einbildungskraft gewaltig … Auch die Leuchtwürmer, welche an den dunkelsten Stellen sehr lebendig funkelten, erschreckten ihn dann und wann …«
    Sleepy Hollow von Washington Irving
     
    Wir setzten uns auf die Stufen der Veranda – Ben auf die erste und ich auf die dritte. Den Kuchen stellte ich auf die Stufe dazwischen und starrte auf seine glänzende Oberfläche, die im Schein der matten Glühbirne über uns schimmerte. Insekten flatterten und schwirrten um das Licht, ihre Flügel warfen übergroße Schatten an die nächste Wand.
    Ich wusste nicht einmal, wo ich anfangen sollte, was ich als Entschuldigung anbringen konnte für das, was Mom gesagt hatte. Und wie ich erklären sollte, warum sie es gesagt hatte … Und so saß ich einfach nur da und ließ meine Halskette zwischen Daumen und Zeigefinger hindurchgleiten. Was soll ich sagen? Was denkt er?
    Ich wischte mit einem Finger etwas Zitronenpudding von der Kuchenplatte und leckte ihn ab. Vielleicht würde etwas Zucker mir Mut machen. Dann setzte ich mich auf und versuchte, mit einem klugen Spruch anzufangen.

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