The Hollow
ich rasch die Thermoskanne auf. Mit Handschuhen war das nicht ganz einfach, aber es war viel zu kalt, sie auch nur ein paar Sekunden lang auszuziehen. Nach einer Minute hatte ich es geschafft und goss eine kleine Menge in die Kappe, bevor ich sie über dem Grab in die Höhe hielt. »Frohe Weihnachten, Mr Irving. Es muss zwar schnell gehen, aber es kommt von mir und Kristen. Mögen alle Ihre Weihnachtsfeste fröhlich sein.«
Sanft stieß ich mit der Kappe gegen den Grabstein und schwenkte den Eierpunsch ein paar Mal im Kreis herum, bevor ich den gesamten Inhalt der Flasche auf den gefrorenen Boden zu meinen Füßen kippte. Schweigend wartete ich eine Minute und nickte dann mit dem Kopf. »Bis zum Neuen Jahr.«
Ich richtete mich auf, schraubte die Flasche wieder zu und verließ die Grabstätte. Das Tageslicht war fast verschwunden und ich machte kleine Schritte und achtete auf eventuell vereiste Stellen. Als ich den Friedhof schließlich hinter mir gelassen hatte, ging ich schneller und der Heimweg dauerte nicht mehr lange. Ich kam gleichzeitig mit den Maxwells an, die gerade die Diele betraten und sich den Schnee von Stiefeln und Mänteln schüttelten.
Ich umarmte die beiden kurz zur Begrüßung, bevor Mr Maxwell hineinging. Kristens Mom sah mich fragend an, als sie all den Schnee auf meiner Jacke sah. Als Antwort auf ihre unausgesprochene Frage hielt ich ihr die Thermosflasche hin. »Ich musste nur eben bei einem alten Freund vorbei. Das ist ein Ritual.«
Sie lächelte ein wenig und nickte. Ich konnte ihren Augen ansehen, dass sie ganz genau wusste, wovon ich sprach. Sie umarmte mich ein weiteres Mal und drückte mich fest an sich, bevor sie mich wieder losließ. »Ich möchte mich für dein wunderbares Geschenk bedanken, Abbey. Es bedeutet uns wirklich sehr viel.«
»Gern geschehen«, entgegnete ich.
Sie hängte sich bei mir ein und wir gingen zu unseren Plätzen. Mom hatte sich selbst übertroffen und der Tisch, der voller Teller und Platten, Schüsseln und Schalen stand, ächzte förmlich unter dem Gewicht der Speisen.
Ich setzte mich links neben Mrs M. und erhob mein Wasserglas, während die anderen ihre Champagnerkelche zu einem Toast erhoben. »Auf schöne Feiertage, ein gesundes neues Jahr und gute Erinnerungen an alle, die wir lieben«, posaunte Dad.
»Auf die, die wir lieben«, wiederholte der restliche Tisch. Ich schaute aus dem Fenster in den Schnee und prostete mir mit meinem eigenen Trinkspruch zu: »Auf die, die wir lieben …«
Kapitel zweiundzwanzig – Ein neuer Partner
»Darum hat derjenige, welcher tausend gewöhnliche Herzen gewinnt, Anrecht auf einigen Ruhm; aber derjenige, welcher unbestrittene Macht über das Herz einer Koketten ausübt, ist in der Tat ein Held. «
Sleepy Hollow von Washington Irving
Auf einen Schlag war es Januar. Jedenfalls für alle anderen. Für mich war er eher mit einem dumpfen Aufprall gekommen. Silvester hatte ich allein verbracht. Ich war so deprimiert, dass ich nicht mal auf den fallenden Glitzerball am Times Square in New York gewartet habe. Mom und Dad feierten bei Freunden und ich ging früh ins Bett. Es gab nichts, worüber ich mich freuen konnte.
Mein Freund wollte nicht mein Freund sein. Meine beste Freundin war tot. Und sobald die Schule wieder anfing, würden die Zwischenprüfungen anfangen.
Es gab überhaupt nichts, worüber ich mich freuen konnte …
In den letzten freien Tagen arbeitete ich ununterbrochen an meinem Sleepy-Hollow-Projekt. Ich hatte beschlossen, für jede der Hauptfiguren einen Duft zu kreieren, zunächst jedoch wollte ich Düfte entwickeln, die die Szenerie und die Atmosphäre der Legende heraufbeschworen. Einer davon sollte The Midnight Hour heißen und ich hatte die Zusammensetzung genau im Kopf. Ich arbeitete stundenlang an seiner Perfektionierung.
Eigentlich wollte ich auch an meinem Businessplan weiterarbeiten, aber die Versuchung, mit den Parfums zu experimentieren, war stärker. Außerdem hatte es eine therapeutische Wirkung, weil es mich von meinem Gedanken ablenkte. Alles in allem waren es traurige und ruhige, aber auch produktive Ferien.
Als die Schule wieder anfing, blieben uns zwei Vorbereitungstage bis zu den Zwischenprüfungen. Ich war ganz froh über die zusätzliche Lernerei und vergrub mich die ganze Zeit über in Büchern. Es kam mir vor, als hätte ich fast alles vergessen, was wir vor den Ferien wiederholt hatten. Mein Hirn fühlte sich leer und wattig an. Onkel Bob hätte wahrscheinlich gewitzelt,
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