The Homelanders, Band 1: The Homelanders - Stunde Null (Bd. 1) (German Edition)
jetzt so sah, schossen auch mir Tränen in die Augen.
Mit zitternder Hand legte ich die Gabel auf den Teller und senkte den Kopf, bis ich mich wieder unter Kontrolle hatte.
Aber der Schock war noch nicht vorbei, denn jetzt sagte der Fernsehreporter: »Wests Freundin hat ebenfalls eine Botschaft an den Flüchtigen.«
Ich blickte auf. Meine Freundin?
Ich hatte eine Freundin?
Zu meiner absoluten Verblüffung sah ich Beth Summers auf dem Fernsehschirm. Ich konnte es nicht glauben. Aber da stand es, direkt unter ihrem Gesicht in der Bildunterschrift: »Beth Summers, Freundin des Mörders«.
Mir klappte die Kinnlade herunter. Ich muss ausgesehen haben wie ein Idiot, als ich mit offenem Mund zusah. Aber das war nichts im Vergleich zu dem, was in meinem Inneren vorging. Beth zu sehen, allein ihr Gesicht wiederzusehen, war so unglaublich schmerzhaft, dass es sich anfühlte, als habe sich eine Hand um mein Herz gelegt und zur Faust geballt. Das lockige, honigbraune Haar, das ihr sanftes Gesicht einrahmte, ihre blauen Augen, einfach diese Anmut in ihrem Ausdruck, die ich nie beschreiben konnte … Wie lange war es her, seit ich sie das letzte Mal gesehen hatte? Einen Tag?
Ein Jahr, an das ich mich nicht erinnern konnte? Es fühlte sich eher an wie hundert Jahre, seit ich die Telefonnummer auf meiner Hand noch einmal angeschaut hatte, um dann das Licht in meinem Zimmer auszumachen und zu schlafen.
Beth saß in einem Wohnzimmer, wahrscheinlich bei ihr zu Hause, obwohl ich mich nicht erinnern konnte, es jemals gesehen zu haben. Ihr gegenüber saß ein Reporter – vielleicht war es dieser Jack Alexander. Ab und zu wurde sein Gesicht eingeblendet, und er nickte verständnisvoll, als Beth sprach.
Sie hatte Tränen in den Augen, aber ihre Stimme war fest.
»Gibt es etwas, das Sie Charlie jetzt sagen möchten?«, fragte der Reporter mit dieser gefühlsduseligen Stimme, mit der diese Menschen reden, wenn sie so klingen wollen, als würden sie Anteil nehmen.
Beth nickte und atmete tief durch. Dann schaute sie direkt in die Kamera, direkt zu mir.
»Ich möchte ihm sagen: Charlie, bitte stell dich. Ich möchte einfach nicht, dass du verletzt oder …«, sie musste ihre Tränen herunterschlucken, bevor sie weiterreden konnte, »oder getötet wirst, verstehst du? Wenn du zurückkommst, werden wir vor Gericht kämpfen. Das verspreche ich dir. Wir werden dafür sorgen, dass alle erfahren, dass du unschuldig bist und niemals einen Menschen töten würdest. Und du sollst wissen: Ich glaube noch immer an dich. Ich liebe dich noch immer.«
Der angehaltene Atem entwich aus mir, als habe mir jemand in den Magen geschlagen. Sie liebte mich? Beth war meine Freundin, und sie liebte mich? Wie war es dazu gekommen? Wann war es dazu gekommen? Wieso konnte ich mich nicht erinnern? Hatte ich ihre Hand gehalten? Hatte ich sie geküsst? Waren wir zusammen spazieren gegangen und hatten einander anvertraut, was wir dachten und was wir mit unserem Leben anfangen wollten? War all das für immer aus meiner Erinnerung verschwunden?
Als von Beth auf ein anderes Bild geschaltet wurde, hätte ich am liebsten die Hände ausgestreckt und den Fernseher gepackt, um den Bericht anzuhalten. Ich wollte ihr Bild noch ein klein wenig länger anschauen, wollte ihr sagen: »Geh nicht weg. Lass mich nicht allein und gejagt hier in diesem Obdachlosenasyl. Sag noch einmal, dass du mich liebst.« Aber sie war weg. Der Bericht endete, und die Nachrichtensprecherin hinter dem Schreibtisch ging zu anderen Meldungen über.
Ich fühlte mich so elend und so niedergeschlagen, dass ich nur noch die Ellbogen auf den Tisch stützen und das Gesicht in den Händen verbergen konnte. Lange blieb ich so sitzen.
Aber nach einer Weile spürte ich etwas. Angeblich gibt es diesen Trick, dass man jemandem so lange auf den Hinterkopf starren kann, bis er sich umdreht. Genau das spürte ich jetzt. Ich spürte, wie mich jemand von hinten anstarrte.
Ich hob den Kopf, ließ meinen Blick durch den Raum wandern und sah ihn – den Mann, der mich beobachtete. Es war einer der Obdachlosen, ein Weißer in einer alten Armeejacke. Er hatte eine Glatze, silbrige Bartstoppeln und ein schmales Gesicht mit scharf gezeichneten Zügen. Er saß an einem Tisch nicht weit von meinem und wischte die Reste auf seinem Teller mit einem Stück Brot auf. Aber während er mit dem Brot über den Teller fuhr, starrte er mich an.
Es war klar, dass er mich erkannt hatte. Er musste ebenfalls die Nachrichten im
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