The Homelanders, Band 1: The Homelanders - Stunde Null (Bd. 1) (German Edition)
den Terroristen zu warnen.
In Gedanke versunken war ich lange gelaufen. Jetzt blieb ich stehen und schaute mich um. Ich war auf ein offenes Gelände am Stadtrand gelangt, eine Straße, die auf der einen Seite von großen Lagerhäusern aus Backstein und auf der anderen Seite von Eisenbahnschienen gesäumt war. Dort, wo ich stand, war es dunkel, aber ganz in der Nähe konnte ich Straßenlampen erkennen. In ihrem Schein sah ich einige Güterwaggons, die ein Stück weiter auf den Schienen abgestellt waren. Ich hatte plötzlich die verrückte Idee, mich in einen der Waggons zu schleichen, um darin aus der Stadt zu verschwinden, wenn der Zug losfuhr.
Bevor ich etwas so Dummes tun konnte, wurde ich zum Glück abgelenkt: Ein kurzes, spitzes und schrilles Geräusch ertönte – ein Schrei in der Nacht.
Mit angespannten Muskeln drehte ich mich in die Richtung, aus der ich ihn gehört hatte. Mein erster Impuls war, wegzulaufen. In irgendwelchen Ärger verwickelt zu werden, der womöglich noch die Aufmerksamkeit der Polizei erregte, war das Letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte.
Als ich aber hinschaute, sah ich etwas, vor dem ich nicht davonlaufen konnte. Ein Stück weiter die Straße hinunter bewegte sich eine Figur aus der Dunkelheit in den Lichtkreis einer Straßenlampe. Eine Frau. Sie lief nach vorn gebeugt und wirkte irgendwie konturlos, weil sie einen alten schwarzen Mantel trug. Sie huschte durch den Lichtschein, mit ausgestrecktem Arm, als würde sie nach etwas tasten, woran sie sich festhalten konnte. Dann war sie verschwunden, von den Schatten jenseits des Lichtscheins verschluckt.
Ich vermutete, dass sie es war, die geschrien hatte. Offensichtlich hatte sie Angst und lief vor etwas davon. Aber ich konnte nicht erkennen, was es war.
Und dann sah ich es doch.
Im nächsten Augenblick tauchte nämlich eine weitere Figur im Lichtkegel auf – ein großer, schwerfälliger Mann, der hinter der Frau herlief. Seine Schritte waren abgehackt und wacklig, und er rief mit lallender Stimme: »Komm sofort zurück!« Dann rief er noch etwas, ein schmutziges Wort, und murmelte Flüche vor sich hin.
Ich hoffte, er würde sich umdrehen und weggehen. Aber das tat er nicht. Vielmehr rannte er hinter der Frau her und stolperte aus dem Licht der Straßenlampe in die Dunkelheit.
Nun konnte ich keinen der beiden mehr sehen. Vielleicht hatte sie entkommen können. Aber dann hörte ich sie wieder schreien, und er antwortete ihr mit einem triumphierenden, kehligen Brummen. Er hatte sie eingeholt.
Ich zögerte nur eine Sekunde. Ein Streit würde mit Sicherheit die Polizei alarmieren. Aber was sollte ich tun? Einfach dastehen und zulassen, dass diese Frau überfallen wurde? Das kam nicht infrage. Nicht, solange ich die Möglichkeit hatte, es zu verhindern.
Wieder schrie sie – und ich rannte los. In ihre Richtung.
Einen Augenblick später war ich nahe genug, um die beiden trotz der tiefen Schatten sehen zu können. Sie standen an der Backsteinwand eines Lagerhauses. Der Mann hatte die Frau gegen die Wand gedrückt, eine Hand an ihrem Hals, während die andere grob über ihren Körper fuhr. Er war groß, schwer und kräftig und ragte bedrohlich über ihr auf. Ich konnte das Weiße in seinen Augen und seine entblößten Zähne sehen. Auch ihre Augen konnte ich sehen – und die Angst darin.
Ich lief weiter auf die beiden zu, wollte den Kerl zu Fall bringen und am Boden halten, damit sie weglaufen konnte. Aber er hörte meine Schritte. Er drehte sich um und sah mich, bevor ich ihn erreicht hatte. Mit der einen Hand hielt er den Hals der Frau umklammert, mit der anderen wühlte er in seiner Manteltasche herum. Dann blitzte matt eine Klinge in dem schwachen Licht auf. Er hatte ein Messer.
Ich blieb stehen.
Er drückte weiter die Frau gegen die Wand, fuchtelte mit dem Messer in der Luft herum und sah mich wütend an. »Was?«, fragte er ruppig und betrunken. »Was willst du, he?«
Ich war außer Atem, und mein Herz pochte wild, aber ich versuchte, trotzdem ruhig zu sprechen. »Lassen Sie sie los«, sagte ich.
Er musterte mich von oben bis unten und lachte laut auf. »Willst du heute Nacht sterben, du kleiner Dreckskerl? Mach, dass du von hier verschwindest.«
Die Frau stieß einen wütenden Laut aus, packte die Hand an ihrem Hals und versuchte, sich zu befreien. Doch der Mann drückte sie nur noch mehr gegen die Wand, so fest, dass sie würgte.
»Hey!«, sagte ich und machte einen Schritt auf ihn zu.
Plötzlich stieß er die Frau
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