The Homelanders - Im Visier des Todes (Bd. 4) (German Edition)
selbst ins Nasse und der Geruch stieg wie Rauch um mich herum auf, hüllte mich ein und schlang sich wie würgende Finger um meinen Hals.
Offensichtlich bewegten wir uns durch die Kanalisation.
Danach mussten wir immer wieder abbiegen, irgendwo hinunter- oder hinaufsteigen. Vor uns tanzten die Strahlen von Taschenlampen und erleuchteten ab und zu ein Gesicht. Manchmal gingen wir über trockenen Grund, dann wieder wateten wir durch fürchterlich stinkendes Zeug, das uns bis zu den Oberschenkeln reichte. Es war ein einziger dunkler Albtraum aus Keuchen, unermüdlicher Bewegung und ekelerregendem Gestank. Wir liefen immer weiter und weiter, folgten verzweigten Tunneln und Rohren.
Keine Ahnung, wie lange das so ging. Manchmal fielen wir in eine Art Trab, blieben aber nicht ein einziges Mal stehen. Ich fürchtete, meine Kraft könnte nicht reichen, aber dann spürte ich, wie das Adrenalin mich durchströmte und die Energie durch meine Glieder trieb, erstaunlich gleichmäßig und unaufhaltsam. Ich war ganz erfüllt vom Rhythmus meines klopfenden Herzens und meiner pumpenden Lungen. Die Schmerzen pulsierten in jedem Teil meines Körpers, aber in diesem Augenblick waren sie weit weg, verborgen unter der elektrischen Oberfläche dieses aufgeputschten Adrenalinrausches. Die Schläge von Blade, die Prügel der Aufseher, der Schnitt, den ich mir mit dem Plastikmesser zugefügt hatte – all das pochte, schmerzte und stach, als ich mich selbst vorwärtstrieb. Fast schien es, als würden diese Schmerzen zu jemand anderem gehören.
Atemlos rannte ich weiter und versuchte, mein Gehirn in Gang zu setzen, während wir in einen neuen stinkenden Tunnel einbogen. Aber ich konnte nur an eines denken: Wir liefen in eine Falle.
Ich wusste nicht, wie lange Dunbar brauchen würde, um den Alarm auszulösen, wie schnell die Polizei reagierenwürde und wie weit sie fahren musste. Sollten die Cops uns nicht in der Mall erwarten, würde es zumindest nicht lange dauern, bis sie kamen. Also musste ich nicht nur Blade, sondern auch der Polizei entkommen. Ich wünschte, ich hätte Dunbar den Plan nicht verraten müssen. Aber ich hatte einfach keine andere Wahl gehabt. Ich konnte doch unmöglich zulassen, dass Blade und seinen Kumpanen die Flucht gelang! Ich musste einfach dafür sorgen, dass sie wieder hinter Schloss und Riegel gebracht wurden.
All das schoss mir durch den Kopf, als ich durch die nasse, stinkende Dunkelheit rannte. Eingezwängt zwischen diesen Verbrechern, die verzweifelt auf das zustürmten, was sie für ihre Freiheit hielten.
Keuchend, stolpernd und völlig entkräftet gelangten wir schließlich an eine weitere Biegung. Plötzlich hörte ich Rufe:
»Da!«
»Oh Mann!«
»Ich sehe es! Ich sehe es!«
Dann sah ich es auch. Ein schwacher grauer Lichtschimmer, der sich wie Wasser in die Finsternis ergoss. Es war der Weg nach draußen, der Weg in die Welt dort oben.
Die anderen um mich herum waren voller Hoffnung und Erwartung. Ihre Muskeln spannten sich und der Rhythmus ihres Atems veränderte sich. Im Schein der Taschenlampen sah ich ihre verzweifelten, plötzlich so hoffnungsvollen Gesichter und ihre Augen, die sehnsüchtig auf dieses Licht, auf die Freiheit gerichtet waren.
Wieder wurde geflüstert:
»Oh ja, ja, ja!«
»Wir sind frei!«
»Wir kommen nach Hause!«
Ich glaube, wir alle wollen im Grunde nur eins, ob Killer oder nicht, ob gut oder schlecht:Wir alle wollen frei sein.Wir alle wollen nach Hause.
Ich schaute nach vorn, den Tunnel entlang zu dem schwachen grauen Licht, das immer heller wurde, je näher wir kamen. Was jetzt? Was soll ich tun, wenn die Polizei uns einkreist? Wie soll ich dann entkommen?
Ich kannte die Antwort auf diese Fragen nicht, und das machte mir Angst.Was, wenn ich versuchte abzuhauen und die Cops eröffneten das Feuer und erschossen mich? Was, wenn Blade glaubte, ich hätte ihnen einen Tipp gegeben, und er brachte mich um?
Und was, wenn ich es nicht schaffte und wieder verhaftet wurde? Das war die schlimmste Vorstellung von allen. Die Berufung, die mein Anwalt eingelegt hatte, wäre null und nichtig, und auch wenn sich Rose noch so sehr für mich einsetzte, niemand würde mir noch glauben, dass ich unschuldig war.
Wir bewegten uns auf das Licht zu, aber in mir verfinsterte sich alles. Die Möglichkeit, erschossen zu werden, war eine Sache, aber die Vorstellung, für den Rest meines Lebens in Abingdon eingesperrt zu sein, war nahezu unerträglich.
Als wir die letzten Meter
Weitere Kostenlose Bücher