The Hood
Bruder. »Willst du auch eins, Tom?«
Tom ist ein eigenbrötlerischer, schlaksiger, zwölf Jahre alter Mann mit Fliege. »Nein, Danke.«
»Was trinkst du?«
»Ich bevorzuge süßen Sherry.«
Svensson prustet vor Lachen. Er verzieht sich in die Küche, damit sie es nicht mitbekommen. Er liebt es, wie ernst sie in diesem Alter alles nehmen. Jessica sieht Tom mit einem Stirnrunzeln an, als wäre er ein Freak.
»Bevorzugst du trockenen?«, fragt er verwirrt.
Svensson sieht sie an und denkt an Chanelle und wie verletzlich sie ist.
Sein Mobiltelefon klingelt. Der Beamte am anderen Ende teilt ihm mit, dass Whippet bezüglich des Drogendelikts freigesprochen wurde. Svensson ist wütend. Wie kann man ihn für unschuldig halten, nachdem er versucht hat, einem verdeckt ermittelnden Polizisten Drogen zu verkaufen? Wie sich herausstellt, hat Whippet den Deal nur eingefädelt, die Drogen aber nicht selbst ausgehändigt. Das genügt für die Verteidigung, Zweifel an seiner Schuld zu säen. Das nervt Svensson für den Rest der Party.
Am folgenden Morgen drückt er den ersten Gang rein und wendet den Wagen. Nach Merlin und Flow war er davon ausgegangen, dass Whippets Verfahren genauso verlaufen würde. Den Rest des Tages kann er sich nicht richtig auf andere Dinge konzentrieren. Es scheint niemals aufzuhören. All die Gewalt und Wut schwellen weiter an wie ein gewaltiges Meer. Später an diesem Nachmittag fährt er durch Moss Side und besucht Informanten. Niemand hat etwas von Whippet oder seinen Plänen gehört.
Ein Jahr ist seit dem Prozess vergangen, und Svensson hat Merlin und Flow regelmäßig im Gefängnis besucht. Wenn er Merlin besucht, nimmt er einen kräftigen Cop mit, der Gewichte heben kann, aber den Mund nicht aufmacht. Er weiß nicht, ob Merlin nicht irgendetwas versuchen wird. Schließlich hat er nichts zu verlieren. Als er in Strangeways einsaß, ließ er einen freiberuflichen Anwalt kommen und sich von ihm bei seiner Berufung helfen. Die Gerichtsakten wurden durch einen Röntgenscanner gejagt, und dabei fand man dann eine fünfundzwanzig Zentimeter lange Klinge. Diesmal breitet Merlin seine Arme aus und drückt ihn an sich. Als sie sich setzen, sieht Svensson die Spuren, wo ein anderer Häftling ihm in die Nase gebissen hat. Es war ein asiatischer Junge, mit dem Merlin nie klarkam. Der Junge hatte Merlin in den Hals gestochen, was eine Narbe zurückließ. Im Hochsicherheitsgefängnis Long Lartin begegneten sie sich wieder. In einem letzten verzweifelten Versuch, sich zu retten, biss er Merlin in die Nase.
»Freut mich, dich hier zu sehen«, witzelt Svensson, als er sich setzt.
»War doch dein Lebensziel.«
Sie unterhalten sich eine Weile. Svensson erfährt, dass Whippet sich mit Merlin in Verbindung gesetzt und dabei erwähnt hat, Svensson habe es auf ihn abgesehen.
»Wenn Svensson es auf dich abgesehen hat«, sagt Merlin ihm, »bist du am Arsch.«
Svensson fasst das als Kompliment auf. Als sich das Gespräch dem Ende nähert, fragt er Merlin, was er am meisten vermisst. Merlin denkt einen Moment lang nach. »McDonald’s.«
Als er durch das Gefängnistor geht, beschließt Svensson, dass er Merlin am Tag seiner Pensionierung besuchen wird, in vier Jahren.
Flow umarmt ihn nicht. Wahrscheinlich will er sein Armani-Jackett nicht verknittern, denkt Svensson. Die Gefängnisvorschriften erlauben es den Häftlingen, eigene Kleidung zu tragen. Flow konzentriert sich auf seine Berufung, daher verhält er sich tadellos. Svensson spürt die Niederlage in seinem Blick, als wüsste er, dass es hoffnungslos ist. Anders als Merlin, der hinter sich die Türen zufallen ließ und sagte, »Okay, Jungs, bringen wir’s hinter uns«, kommt Flow nicht so gut mit dem Knast klar. Svensson glaubt nicht, dass er es schaffen wird. Fünf Jahre sitzen und dann irgendwann Mitte zwanzig wieder rauskommen ist eine Sache. Aber Kerry und die Kids zu sehen und zu wissen, dass er nicht dabei sein wird, wenn sie aufwachsen, dass seine Tochter bei seiner Entlassung zweiundvierzig Jahre alt sein wird, das ist hart. Nach dem Prozess tauchten Poster auf, auf denen sein junges Gesicht ganz alt und faltig war. »Alt werden im Knast« war die Bildunterschrift. Seine Familie versuchte dagegen zu klagen, argumentierte, es sei eine Verletzung seiner Menschenrechte. Er wird den Rest seines Lebens hier verbringen, und eigentlich sollte Svensson das genügen. Dennoch blickt er über den Besuchertisch und denkt: Womit bist du noch ungeschoren
Weitere Kostenlose Bücher