The Hunter - Die komplette erste Staffel
versuchte, ihn auseinanderzunehmen, für sich zu gewinnen. Wenn er gekonnt hätte, hätte Ross jetzt geweint, aber er versuchte, sich weiter zu erinnern, zu erinnern an etwas Gutes und sang plötzlich:
The itsy bitsy spider went up the waterspout, down came the rain and washed the spider out. Out came the sun and dried up the rain and the itsy bitsy spider went up the spout again.
Ein unheimliches Lachen war die Antwort, aber Ross hörte nicht auf. Immer und immer wieder sang er das Lied und fühlte sich sicher. Das Böse konnte ihn nicht töten, das war er schon. Was es könnte, davor hatte Ross Angst, denn er vermochte nicht zu sagen, was passieren würde.
6.
Medina blieb noch einen Moment liegen, um sicher zu sein, dass beide nicht wiederkamen. Schließlich setzte sie sich auf, schluckte den Speichel runter und wankte ins Bad. Verfluchter Scheißdreck, ich muss zu mir kommen. Das Tütchen lag noch auf dem Waschbecken. Rasch zog sie die Tür hinter sich zu, spritzte sich etwas Wasser ins Gesicht und drehte den Hahn an der Wanne auf. Leider hatte sie nun kein Eis mehr, aber es musste auch so gehen. Mit zittrigen Fingern füllte sie zwei Messerspitzen in das Glas, hielt es unter den Wasserhahn und rührte dann das Pulver um. Sie wartete noch einen Augenblick und stieg in die Badewanne.
Flach auf dem Rücken liegend, trank sie das Glas leer und legte es der Einfachheit halber neben sich ins Wasser. Hektisch drehte sie noch den Hahn zu und ließ ihren Kopf halb ins Wasser gleiten. Wie beim letzten Mal merkte sie sofort, dass ihre Lider schwer wurden, und alles um sie herum verschwamm. Schon spürte sie den Sog, der sie nach oben zog. Es fühlte sich so an, als wäre sie in einer Bodyflying-Anlage, da sie ständig seitlich kippte, während sie von oben auf ihren Körper sah. Wieder ließ sie sich durch die Decke nach oben auf den Dachboden ziehen und schwebte zur Tür. Fuck, da hätte ich mir die Eiswürfel echt nicht antun müssen! Diesmal war sie geschlossen, aber unter ihr schimmerte Licht durch. Jemand sang ein Kinderlied. Ross! Sie schwebte zur Tür, drang einfach, Kraft ihrer Gedanken, hindurch, und blickte sich um. Die Stimme wurde lauter und sie hörte noch eine andere tiefere, bösartigere. Je näher sie dem Gesang kam, desto dunkler wurde die Umgebung. Es roch nach Katzenpipi und Medina fühlte sich plötzlich unwohl. Die Leichtigkeit, die sie eben noch verspürt hatte, wich einer schrecklichen Vorahnung. Der Ahnung, dass sie reingelegt worden war. Angst schnürte ihr die Brust zu, klammerte sich um sie und spülte sie fast fort.
„Ross?“ Ihre Stimme klang zittrig.
„Ah! Da ist ja die große Jägerin. Ich habe dich bereits erwartet.“ Ein Schwall Bösartigkeit schwappte auf sie zu und drohte, sie mit sich zu reißen, als sie Ross’ Gesang lauschte. Die Melodie umhüllte sie, und sie schien auf die Noten gebettet zu werden, lag auf ihnen wie auf einer weichen Wolke, die sie schützte.
Ross sang weiter, während dieses Wesen immer näher auf sie zukam. Sie spürte es, fühlte, wie alles Böse in sie wollte. „Wer bist du?“ Das Kinderlied stärkte Medina, sie sprach mit kräftiger Stimme.
„Du wolltest dich mit meinem Herren anlegen, erinnerst du dich? Der Vampirkönig? Aber jetzt sitzt du in der Falle. Er hat mich geschickt und ich werde dich auslöschen.“ Drohend schwappte seine Stimmfarbe über Ross’ Gesang und wollte ihn durcheinanderbringen. Schnell sang Medina mit, dachte an den wunderschönen Sommertag im Garten, an dem Gran dieses Lied gesungen hatte. Sie versuchte, jede Einzelheit hervorzuholen und schmeckte schon fast die eiskalte Limonade, die Gran für ihre Enkel zubereitet hatte. Als sie sich wieder auf das Hier und Jetzt konzentrierte, war die Stimme fort, schwirrte nicht mehr um sie, griff nicht mehr mit seiner Bösartigkeit nach ihrer Seele. Seele? Verfluchter Scheiß.
Rasch schwebte sie durch die Decke des Dachbodens hinunter zum Bad, und sah sich in der Wanne liegen. Sie erschrak, als sie in ihr Gesicht schaute, in dem die Augen geöffnet waren und ein diabolisches Grinsen lag.
7.
Nachdenklich stand Alex im Flur, nachdem Leony in ihr neues Zimmer verschwunden war und die Tür hinter sich geschlossen hatte. Wenn da was dran wäre, was Leony gesagt hatte? Dass es besser sei, sich da nicht einzumischen? Tief im Inneren wusste Alex, dass es eigentlich richtig war, aber er konnte sich auch vorstellen, wie sich Medina fühlen musste. Wo sie doch zum ersten Mal, seit er sie
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