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The Longest Way: 4646 Kilometer zu Fuß durch China (German Edition)

The Longest Way: 4646 Kilometer zu Fuß durch China (German Edition)

Titel: The Longest Way: 4646 Kilometer zu Fuß durch China (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Rehage
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führt. Trotzdem gehe ich weiter, denn die Kraterwände sind zwar haushoch und bröckelig, aber auch an manchen Stellen schräg und zerklüftet.
    Eigentlich hatte ich meiner Familie versprochen, solche Sachen nicht mehr zu machen. »Ich bin kein Idiot!«, hatte ich verkündet. Das war an einem warmen Spätsommertag in Bad Nenndorf, und wir saßen im Wohnzimmer auf den blauen Sofas, die noch von Mama ausgesucht waren. An der Wand hingen Kunstdrucke von einem Blumenweiher von Klimt und dem van Gogh’schen »Café de Nuit«.
    Mein Vater konnte der Idee nichts abgewinnen, von Beijing aus nach Hause laufen zu wollen. Er hatte Ringe unter den Augen und rauchte eine Zigarette nach der anderen. Auch meine kleinen Geschwister sahen bekümmert aus, und ich fühlte mich genötigt, ihre Bedenken so weit wie möglich zu zerstreuen und ein bisschen Werbung für meinen Plan zu machen. Auch wenn sie daran ohnehin nichts mehr ändern konnten.
    »Ich werde nur auf befestigten Straßen gehen und in Hotels übernachten«, sprach ich also, »ich habe mich bei sämtlichen deutschen Botschaften auf dem Weg über die Strecke informiert, und diesmal wird es ganz sicher keine bescheuerten Abkürzungen wie damals in Frankreich geben!« Ein Lächeln huschte über das Gesicht meines acht Jahre jüngeren Bruders Rubi. Wahrscheinlich war ihm eine Anekdote von meiner planlosen Wanderung von Paris nach Hause eingefallen. Vier Jahre war das jetzt her. Becci, die Mittlere von uns Geschwistern, spielte nervös mit den Schlappohren unserer Griffonhündin Puk, die ich damalsmithatte, und die Mundwinkel meines Vaters zeigten weiterhin nach unten. Er saß in einer Rauchwolke.
    »Den ersten Teil der Reise werde ich durch China laufen«, redete ich weiter und versuchte, es gleichzeitig optimistisch und irgendwie beiläufig klingen zu lassen. »Da kenne ich mich aus. Die Sprache ist kein Problem, und einige der Orte auf meiner Route habe ich sogar schon früher einmal besucht! China, das ist ein Drittel der Gesamtstrecke, überhaupt kein Grund zur Sorge! Und wahrscheinlich kann ich später sogar den Weg über Ungarn nehmen und bei Oma vorbeischauen.«
    »Und was ist, wenn du dich verläufst?«, fragte Becci.
    »Ich werde mich nicht verlaufen, schließlich habe ich ja jetzt auch noch das GPS!«
    »Und wenn doch?«
    »Dann gehe ich einfach zurück! Das ist ja das Gute daran, dass ich schon so oft herumgelaufen bin: Ich weiß genau, dass es nichts bringt, immer stur zu bleiben und geradeaus weiterzugehen. Manchmal muss man auch zurückgehen können, um den Weg wiederzufinden!«
    Sprach es und blickte in drei ungläubige Gesichter.
    Wenn die wüssten, denke ich, als ich vor der mächtigen Lehmwand auf der anderen Seite des Loches stehe und nach oben blicke. Die Wand ist leicht schräg und rissig, und kleine Büsche wachsen aus ihr heraus. Ich schließe die Hand um einen Zweig und ziehe probehalber daran. Er scheint fest zu sein. Um Zeit zu gewinnen, trinke ich einen Schluck Wasser und drehe mich noch einmal um: Meine Fußspuren sind auf dem Boden deutlich erkennbar, und es wäre ein Leichtes, ihnen zurück bis zur gegenüberliegenden Seite des Loches zu folgen. Dann müsste ich nur den Weg oben entlanggehen, und früher oder später würde ich entspannt und unbeschadet an der Stelle über mir ankommen. Ohne Kletterei, ohne Gefahr.
    Ich ziehe meine Handschuhe aus und befestige meinen verbliebenen Trekkingstock an meinem Handgelenk. (Den anderenhabe ich vor ein paar Tagen irgendwo liegen gelassen.) Die Reißverschlüsse an meiner Jacke und an meinen Kamerataschen sind schnell zugezogen. Dann greife ich wieder nach dem Zweig und setze einen Fuß in die Wand. Und was ist mit meinen Versprechungen?
    »Da bist du ja«, sagte die Ältere der Schwestern, als sie mir die Tür aufmachte, »ich dachte schon, du kommst tatsächlich nicht mehr!«
    »Nur zum Schlafen, wenn das geht. Mein Hotel ist geschlossen.«
    Sie verschränkte fröstelnd die Arme vor der Brust, und mir fiel auf, dass ihr Nachthemd einen Hauch von Durchsichtigkeit hatte. »Natürlich geht das«, sagte sie und wies in den Raum hinter sich: »Mein Zimmer hat zwei Betten!«
    »Und deine Schwester schläft bei dem Dicken?«
    »Ja, aber da läuft nichts.«
    Ein paar Minuten später lag ich in dem frisch gemachten Bett und starrte in die Dunkelheit.
    »Läuft da wirklich nichts?«
    »Wo? Bei meiner Schwester?
    »Ja.«
    »Auf keinen Fall!«
    Ein Moment der Stille.
    »Wollen wir sie nicht fragen, ob sie

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