The Others: Sie sind unter uns - Haines, J: Others: Sie sind unter uns - Hunted by the Others
verließen Saras Haus erst nach Sonnenuntergang. Ich hielt es für keine gute Idee, Royce warten zu lassen, aber Arnold und Sara waren anderer Meinung. Sie erklärten mir, dass ihn das nervös machen würde. Er musste annehmen, dass ich mit dem Gedanken spielte, zu fliehen.
Neben meinem Handy hatte ich noch ein paar Ladestreifen in die Manteltasche geschoben. Als ich vor Royce’ Bürogebäude abgesetzt wurde, versprach Arnold, sich einen Parkplatz in der Nähe zu suchen, damit er im Notfall schnell bei mir sein könnte.
Ich stand vor dem Hochhaus, starrte nach oben, hielt mit einer Hand den Mantel zu und atmete tief durch. Dann warf ich einen Blick auf die Papiere und verspürte ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. »Jetzt geht’s los«, flüsterte ich und wusste, dass sich gleich mein gesamtes Leben ändern würde.
Mit gesenktem Kopf schob ich mir den Vertrag unter den Arm und ging so zögernd und steif wie möglich durch die Drehtür. Ich wusste nicht, ob es Überwachungskameras
oder Wachmänner gab, und wollte es nicht drauf ankommen lassen, falls Royce noch andere Sicherheitsmaßnahmen getroffen hatte, um zu checken, ob ich »sauber« war. Am Schreibtisch im Foyer saß ein anderer Wachmann als beim letzten Mal. Als ich zu den Aufzügen ging, sah er nur kurz auf. Der Mantel schlug mir bei jedem Schritt gegen die Beine.
Im Lift drückte ich den Knopf für den achten Stock. Langsam wurden meine Handflächen feucht und mein Mut sank. Es ging los. Ich hoffte und betete, dass das Amber-Kiss-Parfüm den Geruch meiner Angst dämpfte; dass Royce nicht bemerken würde, was ich getan hatte; dass er die Papiere nicht durchlas, bevor er sie bei Gericht einreichte.
Als der Lift klingelte und anhielt, atmete ich ein weiteres Mal tief durch, trat hinaus und stapfte in Richtung seines Büros. Ich öffnete die Tür und wurde überraschenderweise von einer Empfangsdame begrüßt. An den anderen Tischen und in den Büros, die beim letzten Mal leer gewesen waren, saßen heute ebenfalls Leute.
»Kann ich Ihnen helfen, Miss?«
Ich starrte die Frau eine Sekunde lang an wie ein erschrecktes Reh das Scheinwerferlicht. Die Überraschung, um diese Zeit und an diesem Ort einem echten Menschen zu begegnen, stand mir wahrscheinlich ins Gesicht geschrieben. »Ja, ähm …«, stammelte ich. »Mr Royce erwartet mich.«
Sie nickte und bedeutete mir, mich auf einen der drei Stühle an der Wand zu setzen, neben einem kleinen
Tisch, der mit Magazinen übersät war. Ich nahm Platz und versuchte, über den Schrecken hinwegzukommen, dass hier so spät noch Leute arbeiteten. Sie hatten wahrscheinlich so unübliche Arbeitszeiten, weil ihr Arbeitgeber ein Vampir war. Das ergab Sinn. Schließlich konnte er sie tagsüber nicht beaufsichtigen und jemand, der ein so breitgefächertes Imperium (wenn man es so nennen wollte) beherrscht wie Royce, braucht eine Menge Personal. Wirklich komisch, dass ich daran noch gar nicht gedacht hatte. Bisher hatte ich angenommen, dass die Schreibtische und Büroräume reine Show waren.
Ängstlich und nervös saß ich fast eine Stunde lang auf meinem Stuhl. Mir wurde in dem Mantel unerträglich heiß, aber ich wagte es nicht, ihn auszuziehen oder auch nur zu öffnen. Ich würde Gefahr laufen, dass jemand die Waffen, Ladestreifen und Pflöcke bemerkte. Wollte Royce mich wütend machen oder nur seine Vorfreude länger auskosten? Egal was der Grund war, er trieb mich in den Wahnsinn.
Eine Ewigkeit später tauchte ein junger Mann auf, der in seinem zu großen Anzug mit der schiefsitzenden Krawatte aussah wie ein Praktikant, der sich bemühte, so zu sein wie die Großen. Er kam auf mich zu und begrüßte mich. »Ms Waynest? Folgen Sie mir bitte.«
Langsam erhob ich mich aus meinem Stuhl und drückte den Vertrag an meine Brust. Ich wurde einen langen Flur entlang zu einem Konferenzraum geführt. Auf dem Weg kam uns Allison entgegen, die Rezeptionistin
vom Circle. Sie warf mir einen giftigen Blick zu. Welche Laus war der denn über die Leber gelaufen? Ihr unverhohlener Hass auf mich entbehrte jeder Grundlage. Als wir uns aneinander vorbeischoben, schlug sie mich mit ihrer Tasche und ging dann ohne sich auch nur umzuschauen weiter. Über die Schulter starrte ich ihr hinterher, bis ich mir das Schienbein an einem Schreibtisch stieß. Ich fluchte leise und beschleunigte meine Schritte, um dem Praktikanten zu folgen. Er beobachtete mich mit einer Mischung aus Verwirrung und Amüsiertheit, war aber höflich genug, den Mund
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