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The Road of the Dead

The Road of the Dead

Titel: The Road of the Dead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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Jesses   … schau dich an. Das letzte Mal, als ich dich gesehen hab, warst du noch ein kleiner Junge.« Sie schüttelte den Kopf vor Staunen. »Gott, habt ihr mich erschreckt. Ich wusste ja nicht, wer ihr wart. Ich dachte, ihr seid hinter meinem Geld her |54| oder so.« Sie sah wieder Cole an und begann zu lächeln. »Was treibt ihr denn hier?« Und dann erstarb ihr Gesicht plötzlich. »O Gott, Rachel   … Gott, es tut mir so leid   …«
    Und sie fing an zu weinen.
     
    Cole kann mit Tränen nicht gut umgehen. Ich auch nicht, um ehrlich zu sein. Wir wissen nicht recht, was wir mit jemandem anfangen sollen, der weint. Besonders, wenn wir an einem unvertrauten Busbahnhof rumhängen und die Leute plötzlich stehen bleiben, glotzen und sich fragen, was da los ist.
    Deshalb waren wir beide ziemlich erleichtert, als der Bus nach Lychcombe einfuhr und Abbie sich zusammenriss.
    »Entschuldigung«, sagte sie, wischte sich die Augen trocken und sammelte ihre Tüten ein. »Ich muss wirklich los. Das ist der letzte Bus zurück. Ich würde ja gern bleiben und mit euch reden   –«
    »Wir können im Bus reden«, sagte Cole.
    »Wie bitte?«
    »Wir fahren nach Lychcombe.«
    Abbie erstarrte. »Ihr macht
was

    »Wir fahren nach Lychcombe«, wiederholte Cole. »Hast du was dagegen, wenn wir uns im Bus zu dir setzen?«
    »Nein«, log sie, so gut es ging. »Nein, überhaupt nicht.«
     
    Mein Dad war durch das ganze Land gereist, ehe er Mum heiratete. Er hatte die meiste Zeit seines Lebens auf Achse verbracht – mal hier, mal dort gearbeitet, mal dies, mal das. Es war ihm nie wichtig gewesen, womit er sein Geld verdiente. Wie die meisten Zigeuner lebte er nicht für die Arbeit, sondern er arbeitete, um zu |55| leben. Er konnte so ziemlich alles – Landwirtschaft, Teer- und Dachdeckerarbeiten, Gelegenheitsjobs. Eine Weile hatte er sogar Teppiche verkauft. Manchmal verschwand er irgendwohin und arbeitete allein, doch die meiste Zeit reiste er mit seiner Familie und einer vertrauten Gruppe anderer Familien umher, die fast alle miteinander verwandt waren. Sie errichteten ihr Lager irgendwo am Rand einer Stadt, beackerten für ein paar Monate Land und Straßen, dann zogen sie weiter und versuchten es anderswo wieder von vorn. Im Sommer verbrachten sie die meiste Zeit auf Jahrmärkten oder bei Pferderennen im ganzen Land, wo sie auch das meiste Geld ausgaben: in Appleby, Doncaster, Derby, Musselburgh. Dad hatte bei den Rennplätzen auch immer gekämpft. Große Kämpfe, große Menschenmengen, großes Geld.
    Sein Leben war so darauf ausgelegt gewesen, stets unterwegs zu sein, dass er erst mal eine Weile körperlich krank wurde, als er plötzlich mit Mum auf dem Autofriedhof lebte. Er war es nicht gewohnt, an einem festen Ort zu bleiben. Er versuchte so zu tun, als ob es kein Problem wäre – »Zigeuner sein ist eine Haltung«, sagte er immer, »keine Lebensform«. Doch so ganz kam er nie drüber weg.
    Egal, ich glaube, was ich sagen will, ist: Obwohl ich zur Hälfte Zigeuner bin und obwohl ein großer Teil von meinem Vater auch in mir steckt, bin ich nie richtig auf Achse gewesen. Im Kopf bin ich um die ganze Welt und wieder zurück gereist – in Geschichten, in Träumen, in Gedanken   –, aber in Wirklichkeit bin ich so gut wie noch nie aus London herausgekommen. Es hat mich nie groß gestört. Ich meine, ich habe mich nie nach Landstraßen gesehnt oder so. Aber als der Bus an jenem Tag aus Plymouth hinausratterte und wir auf das Moor zufuhren, spürte ich langsam, |56| dass ich vielleicht doch etwas versäumt haben könnte.
     
    Nachdem der Bus den Bahnhof verlassen und wir drei uns auf unseren Plätzen niedergelassen hatten, verbrachten wir die ersten fünf Minuten der Reise damit, in verlegenem Schweigen aus dem Fenster zu starren. Keiner von uns wusste, was er sagen sollte. Ich saß auf der breiten Rückbank hinter Cole und Abbie saß ihm gegenüber. Ihre ganzen Einkaufstüten hatte sie auf dem Nebenplatz gestapelt, als wolle sie nicht, dass einer von uns ihr zu nahe käme.
    Anfangs gab es nicht viel zu sehen. Alles sah genauso aus wie überall. Nur grauer. Und hässlicher. Die gleichen Läden, die gleichen Straßen, die gleichen Gesichter, der gleiche Verkehr. Es gab nicht mal andere Fahrgäste, die man hätte angucken können. Der Bus war leer. Nur wir, der Fahrer und unser verlegenes Schweigen.
    Als das Grau der Stadt den Blick auf endlose Weiden freigab, fingen Cole und Abbie allmählich an zu reden. Anfangs verlief

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