The Sign Bd. 1 Nur zu deiner Sicherheit
unserer Küche diesen Einheitsfraß zu essen und zu lachen.
Ginnie hatte mir nie verraten, warum sie ihren Rang-fünf-Job in Chicago aufgegeben und stattdessen diese Rang-zwei-Stelle in Cementville angenommen hatte. Sie hatte damals beteuert, es sei, um näher bei Ed sein zu können, aber ich war immer davon überzeugt gewesen, dass es noch einen anderen Grund gegeben haben musste. Doch ich schätzte, die Antwort darauf würde ich wohl nie erfahren.
Es war wirklich schwer, aus unserem hübschen Apartment in den Wrightwood Arms auszuziehen und stattdessen in diesem schrecklichen Modul zu wohnen. Das einzig Gute an Cementville war, dass wir neben Sandy wohnten. Ich hatte mich an die billigen Klamotten und den billigen Schulfraß und die Verachtung der Leute aus den höheren Rängen gewöhnt. Ginnie hatte es irgendwie geschafft, ausreichend Kreditpunkte anzusammeln, um mich in den Kunstunterricht zu schicken, zum Glück. Ich weiß nicht, was ich sonst gemacht hätte. Normalerweise sind Kunstkurse den Leuten aus Rang fünf oder höher vorbehalten, damit sie einen kreativen Beruf ergreifen können. Ginnie hatte gewollt, dass ich ebenfalls diese Chance erhielt. Als die Kids in meinem Kurs allerdings herausfanden, dass meine Mom als Rang-zwei-Kassiererin arbeitete, sprachen die meisten nicht mehr mit mir. Doch ich ließ nicht zu, dass mir das allzu naheging – als ich noch zu Rang fünf gehört hatte, hatte ich auch nie mit Leuten von Rang zwei gesprochen. Außerdem versinke ich sowieso immer derart in meinen Bildern, dass ich vermutlich nicht einmal Van Stacy bemerkt hätte, wenn er den Raum betreten hätte.
Allein der Gedanke an diesen Umzug machte mich wütend, und dann fühlte ich mich wiederum schuldig … wie konnte ich jetzt nur sauer sein auf Ginnie? Da kam Dee ins Zimmer und ließ sich über die Lehne eines Stuhls hängen, sodass ihre Zehen kaum mehr den Boden berührten. »Glaubst du, Maddie und Justin sind immer noch auf der Dickens?«
»Klar. Ich wette, fast alle deine Freunde von früher sind immer noch in deiner alten Schule. Wir waren ja nur vier Jahre weg.« Ich hoffte nur, dass ich damit auch wirklich recht hatte. Sie brauchte irgendetwas, das sie aufbaute. Sie brauchte Freunde.
»Nini … ich vermisse Mom.« Sie schluchzte ganz leise neben mir.
Ich zog sie an mich und kickte dabei den Mehlbehälter mit dem Ellbogen um. Ganz fest hielt ich sie im Arm, wobei ich meine eigenen Tränen niederringen musste. Obwohl sie schon elf war, wirkte sie immer noch so klein und verletzlich. Endlich hörte sie auf zu weinen.
»Tut mir leid.« Sie schniefte und holte dann tief Luft: »Du vermisst sie doch auch, stimmt’s?«
»Ja, das tu ich.«
»Was haben sie mit ihrem Körper gemacht? Ist er da draußen im Weltraum, bei all den anderen Beerdigungskapseln?« Sie wischte sich mit dem Handrücken die Tränen weg und sah mich erwartungsvoll an.
Ich hatte keinen Schimmer, was damit passiert war – »Er wird auf die übliche Weise entsorgt werden …« –, ich musste dringend ein paar beruhigende Worte finden. »Ja, dort ist er. Sie haben den Leichnam heute Morgen raufgeschickt. Sie ist jetzt dort oben bei den Sternen.«
»Grandma meint, sie ist im Himmel.« Dee sah mich an. »Du glaubst nicht an den Himmel, nicht wahr?«
»Wenn Grandma das sagt, dann muss es doch stimmen, Deedee. Grandma würde niemals lügen.« Ganz anders als ich.
Religion war eine Sache, an die ich nie allzu viele Gedanken verschwendet hatte. Wir hatten uns in der Schule mit den Religionskriegen der Vergangenheit beschäftigt, und damals schon hatte ich beschlossen, dass das nichts für mich war. Dass Ginnie genauso gedacht hatte, kam mir nur entgegen. So wie ich das sah, ging es bei der Religion lediglich darum, dass eine Gruppe von Leuten einer anderen Gruppe von Leuten weismachen wollte, dass auf ihrer Seite das Gras grüner war. Und dass alle anderen das auch glauben mussten, sonst …
Das Abkommen zum Ende aller Kriege sah vor, dass die Kirchen nicht länger versuchen durften, allen anderen ihren Glauben aufzuzwingen. Der Regierungsrat hatte dies noch ein ganzes Stück verschärft, indem man es für illegal erklärte, in irgendeiner Form von öffentlichen Medien Glaubensgrundsätze zu predigen. Man behauptete, solche Predigten würden nur für Missmut sorgen und Aufstände anstacheln. Nach allem, was ich über die Religionskriege gelesen hatte, war es leicht nachzuvollziehen, warum die Leute dieser Regierungsverordnung nur allzu
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