The Stand. Das letze Gefecht
drang unter Frys Hand hervor. Fry nahm beide Hände weg und sagte: »Bringt das deine Erinnerung auf Trab?«
Seltsamerweise ja.
»Auto...«, sagte er und hechelte dann wie ein Hund. Die Welt kreiste, kam zum Stillstand, und er konnte weitersprechen. »Auto parkt... hinter der Conoco-Tankstelle... gleich außerhalb der Stadt. Route 51.«
»Nördlich oder südlich der Stadt?«
»Söh... söh...«
»Ja, söh! Schon verstanden. Weiter.«
»Unter einer Plane. Buh... Buh... Buick. Fahrzeugschein am Lenkrad. Ausgestellt auf... Randall Flagg.« Er fing wieder an zu keuchen und konnte nicht mehr sagen oder tun, sondern Fry nur voll dumpfer Hoffnung ansehen.
»Schlüssel?«
»Bodenmatte. Unter...«
Frys Kehrseite schnitt alle weiteren Worte ab, indem sie auf Bradentons Brust sank. Dort ließ Fry sich nieder, als würde er sich in der Wohnung eines Freundes auf ein gemütliches Sitzkissen setzen, und plötzlich bekam Bradenton überhaupt keine Luft mehr. Er hauchte seinen allerletzten Atem mit einem einzigen Wort hinaus:
»...bitte...«
»Schönen Dank auch«, sagte Richard Fry/Randall Flagg mit einem breiten Grinsen. »Sag gute Nacht, Kit.«
Kit Bradent on konnte nicht sprechen, sondern nur die Augen in den aufgequollenen Höhlen verdrehen, bis nur noch das Weiße zu sehen war.
»Du sollst nicht denken, daß ich undankbar bin«, sagte der dunkle Mann sanft und sah auf ihn herab. »Es ist nur so, daß wir uns jetzt sputen müssen. Der Jahrmarkt macht früher auf. Alle Fahrten haben schon geöffnet, die Schießbuden und auch das Glücksrad. Und heute ist meine Glücksnacht, Kit. Ich spüre es. Ich spüre es ganz deutlich. Darum müssen wir uns beeilen.«
Es waren eineinhalb Meilen bis zur Conoco-Tankstelle, und als er dort ankam, war es Viertel nach drei Uhr morgens. Der Wind wehte stärker und heulte durch die Straßen; auf dem Weg hierher hatte der Mann drei tote Hunde und einen toten Mann gesehen. Der Mann hatte eine Art Uniform angehabt. Die Sterne hoch droben schienen kalt und hell, Fünkchen, die von der dunklen Haut des Universums schlugen.
Die Plane über dem Buick war straff auf den Boden gespannt, das Segeltuch flatterte im Wind. Als Flagg die Heringe herauszog, flog die Plane wirbelnd in die Nacht wie ein braunes Gespenst auf dem Weg nach Osten. Die Frage war, in welche Richtung ging sein Weg? Er stand neben dem Buick, einem gut erhaltenen Modell Baujahr 1975 (Autos hielten sich gut hier draußen: wenig Feuchtigkeit, so daß der Rost kaum einen Ansatz hatte), und schnupperte die nächtliche Sommerluft wie ein Kojote. Sie brachte das Parfüm der Wüste mit sich, wie man es so deutlich nur nachts riechen kann. Der Buick stand unversehrt inmitten eines Autofriedhofs ausgeschlachteter Teile, Monolithen der Osterinsel gleich in der windigen Stille. Ein Motorblock. Eine Achse, die wie die Hantel eines Bodybuilders aussah. Ein Stapel Reifen, in denen der Wind heulende Geräusche erzeugen konnte. Eine gesprungene Windschutzscheibe. Und vieles mehr.
Inmitten solcher Umgebungen konnte er am besten nachdenken. In solchen Umgebungen konnte jeder Mann Jago sein.
Er ging an dem Buick vorbei und strich mit der Hand über eine verbeulte Motorhaube, die einst zu einem Mustang gehört haben mochte. » Hey, little Cobra, don't ya know ya gonna shut ehm down... «, sang er leise. Er kickte mit einem staubigen Stiefel einen Einbauheizkörper um und legte ein Nest Juwelen frei, deren Feuer düster glomm. Rubine, Smaragde, Perlen so groß wie Gänseeier, Diamanten, Sternen gleich. Schnippte mit den Fingern in ihre Richtung. Weg waren sie. Wohin sollte er gehen?
Der Wind stöhnte durch das Flügelfenster eines alten Plymouth, in dessen Inneren kleine Lebewesen raschelten.
Etwas anderes raschelte hinter ihm. Er drehte sich um; es war Kit Bradenton, der nur eine knallgelbe Unterhose anhatte, wobei sein Dichterwanst über den Bund hing wie ein im Fallen erstarrter Erdrutsch. Bradenton kam über die verstreuten Bruchstücke von fahrbarem Metall aus Detroit auf ihn zu. Ein Grashalm stach durch seinen Fuß wie ein Kreuznagel, aber aus der Wunde floß kein Blut. Bradentons Nabel war ein schwarzes Auge.
Der dunkle Mann schnippte mit den Fingern, und Bradenton war fort. Er grinste und ging zu dem Buick zurück. Legte die Stirn auf di e Dachwölbung der Beifahrerseite. Zeit verging. Nach einer Weile richtete er sich, immer noch grinsend, wieder auf. Jetzt wußte er es. Er glitt hinters Lenkrad des Buick und trat das Gaspedal ein
Weitere Kostenlose Bücher