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The Stand. Das letze Gefecht

The Stand. Das letze Gefecht

Titel: The Stand. Das letze Gefecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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dem Augenblick, als Lloyd widerstrebend in Flaggs dunkles, gerötetes Gesicht sah, schrie Flagg »Buuuh!« Der kurze Laut schwebte durch den toten Zellenblock und kam rasch wieder zurück. Lloyd kreischte, stolperte über seine eigenen Füße, stürzte und fing an zu weinen.
    »Schon gut«, beruhigte ihn Flagg. »He, Mann, schon gut. Alles in bester Ordnung.«
    Lloyd schluchzte: »Können Sie mich rauslassen? Bitte, lassen Sie mich raus. Ich will nicht wie mein Kaninchen sein, so will ich nicht enden, das ist nicht fair, wenn Poke nicht gewesen wäre, hätte ich nur kleine Sachen abgezogen, bitte, lassen Sie mich raus, Mister, ich mache alles.«
    »Armer Kerl. Du siehst aus wie Reklame für einen Sommerurlaub in Dachau.«
    Obwohl Flaggs Stimme mitfühlend klang, wagte Lloyd nicht, höher als bis zu den Knien des Fremden zu sehen. Wenn er noch einmal in dieses Gesicht blickte, würde er sterben. Es war das Gesicht eines Teufels.
    »Bitte-«, murmelte Lloyd. »Bitte, lassen Sie mich raus. Ich verhungere.«
    »Wie lange sitzt du in diesem Scheißhaus, mein Freund?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Lloyd und massierte sich die Augen mit den dünnen Fingern. »Ziemlich lange.«
    »Wie kommt es, daß du noch nicht tot bist?«
    »Ich wußte, was kommen würde«, sagte Lloyd zu den Beinen in den Bluejeans und raffte die letzten Fetzen seiner Verschlagenheit um sich. »Ich habe etwas Verpflegung weggelegt. Deshalb.«
    »Hast nicht zufällig ein Stück von dem netten jungen Mann in der Zelle nebenan gemampft, oder?«
    »Was?« krächzte Lloyd. »Was? Nein! Um Himmels willen! Wofür halten Sie mich? Mister, Mister, bitte...«
    »Sein linkes Bein sieht dünner aus als das rechte. Nur aus dem Grund hab' ich gefragt, guter Freund.«
    »Davon weiß ich nichts«, flüsterte Lloyd. Er zitterte am ganzen Körper.
    »Und was ist mit Bruder Ratte? Hat er geschmeckt?«
    Lloyd schlug die Hände vors Gesicht und sagte nichts.
    »Wie heißt du?«
    Lloyd versuchte, es zu sagen, brachte aber nur ein Stöhnen heraus.
    »Wie heißt du, Soldat?«
    »Lloyd Henreid.« Er überlegte krampfhaft, was er als nächtes sagen sollte, aber sein Verstand war ein chaotisches Durcheinander. Er hatte Angst gehabt, als sein Anwalt ihm sagte, daß er vielleicht auf den elektrischen Stuhl müßte, aber nicht solche Angst. Solche Angst hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht gehabt. »Alles war Pokes Idee!« schrie er. »Poke müßte hier sein, nicht ich.«
    »Sieh mich an, Lloyd.«
    »Nein«, flüsterte Lloyd. Er rollte wild mit den Augen.
    »Warum nicht?«
    »Weil...«
    »Nur weiter.«
    »Weil ich nicht glaube, daß Sie wirklich existieren«, flüsterte Lloyd.
    »Und wenn Sie wirklich existieren... Mister, wenn Sie wirklich existieren, dann sind Sie der Teufel.«
    »Sieh mich an, Lloyd.«
    Hilflos richtete Lloyd den Blick auf das schwarze, grinsende Gesicht, das zwischen einer Kreuzung der Gitterstäbe hing. Die rechte Hand hielt etwas neben dem rechten Auge hoch. Als er es sah, wurde Lloyd heiß und kalt zugleich. Es sah aus wie ein schwarzer Stein, so schwarz, daß er fast harzig oder pechig wirkte. In der Mitte war eine rote Stelle, die Lloyd wie ein schreckliches blutiges und halb offenes Auge vorkam, das ihn anstarrte. Dann drehte Flagg es zwischen den Fingern hin und her. Jetzt war es das Auge, dann der Schlüssel. Er sang: »She brought me coffee... she brought me tea... she brought me... damn near everything... but the workhouse key. Nur nicht den Schlüssel, Lloyd, richtig?«
    »Ja«, sagte Lloyd heiser. Er ließ den kleinen schwarzen Stein nicht aus den Augen. Flagg ließ ihn von einem Finger zum ändern wandern wie ein Zauberer, der einen Trick vorführt.
    »Du bist gewiß ein Mann, der den Wert eines guten Schlüssels zu schätzen weiß«, sagte der Mann. Der schwarze Stein verschwand in seiner geballten Faust und tauchte plötzlich in der andren Hand wieder auf, wo er aufs neue von einem Finger zum andern wanderte.
    »Davon bin ich überzeugt. Ein Schlüssel ist dazu da, Türen zu öffnen. Gibt es etwas Wichtigeres im Leben, als Türen zu öffnen, Lloyd?«
    »Mister, ich habe schrecklichen Hunger...«
    »Logisch«, sagte der Mann. Sein Gesichtsausdruck wurde besorgt, aber so übertrieben besorgt, daß es grotesk wirkte. »Mein Gott, eine Ratte ist doch nichts zu essen! Weißt du, was ich heute gegessen habe? Ein wunderbares Roastbeef-Sandwich, englisch, auf Wiener Brot, mit ein paar Zwiebeln und Guldens süßem Senf. Hört sich das gut an?«
    Lloyd

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