The Stand. Das letze Gefecht
zu beißen. Larry trat noch fester auf das dünne Handgelenk, und Joe stieß einen Schrei aus - nicht vor Schmerzen, sondern vor Wut.
»Laß es los , Junge.«
Joe wehrte sich immer noch.
Das Patt hätte andauern können, bis Joe das Messer freibekommen oder Larry ihm den Arm gebrochen hätte, wenn Nadine nicht schließlich schlammverschmiert, atemlos und vor Erschöpfung taumelnd bei ihnen eingetroffen wäre.
Ohne Larry anzusehen, sank sie auf die Knie. »Laß es los!« sagte sie leise, aber energisch. Ihr Gesicht war schweißbedeckt, zeigte jedoch keine Regung. Sie brachte es dicht vor Joes verzerrte, zuckende Fratze. Er schnappte nach ihr wie ein Hund und wehrte sich weiter. Wütend versuchte Larry, die Balance zu halten. Wenn es dem Jungen jetzt gelang, sich loszureißen, würde er wahrscheinlich zuerst auf die Frau einstechen.
»Laß... es... los!« sagte Nadine.
Der Junge knurrte. Speichel quoll zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor. Auf der rechten Wange hatte er einen Schlammspritzer in Form eines Fragezeichens.
»Wir lassen dich zurück, Joe. Ich lasse dich zurück. Ich gehe mit ihm. Wenn du nicht brav bist.«
Larry spürte, wie die Spannung des Arms unter seinem Fuß noch stärker wurde und dann nachließ. Aber der Junge sah die Frau verletzt, anklagend und vorwurfsvoll an. Als er den Blick etwas abwandte und Larry ansah, konnte dieser glühende Eifersucht in den Augen erkennen. Obwohl ihm der Schweiß in Strömen vom Körper troff, fröstelte Larry unter diesem Blick.
Sie sprach mit ruhiger Stimme auf ihn ein. Niemand würde ihm weh tun. Niemand würde ihn zurücklassen. Wenn er das Messer losließ, konnten sie alle Freunde werden.
Allmählich spürte Larry, daß sich die Hand unter seinem Schuh entspannt und das Messer losgelassen hatte. Der Junge lag reglos da und starrte zum Himmel. Er hatte aufgegeben. Larry nahm den Fuß von Joes Handgelenk, bückte sich rasch und hob das Messer auf. Er drehte sich um und schleuderte es in Richtung Küste. Das Messer drehte sich im Kreis und reflektierte funkelnd das Sonnenlicht. Joes seltsame Augen folgten seiner Bahn; er stieß ein langes, heulendes Wimmern des Schmerzes aus. Das Messer prallte mit blechernem Klirren auf die Felsen und schlitterte über den Rand. Larry drehte sich wieder um und betrachtete die beiden. Die Frau untersuchte Joes rechten Unterarm, wo sich das Profil von Larrys Stiefelsohlen tief eingegraben hatte und langsam grellrot wurde. Sie sah auf, blickte Larry ins Gesicht. Ihre dunklen Augen waren voller Traurigkeit.
Larry spürte die altbekannte, eigennützige Ausrede in sich aufsteigen - Ich mußte es tun, es war nicht meine Schuld, hören Sie, Lady, er wollte mich umbringen -, weil er glaubte, das Urteil in diesen kummervollen Augen lesen zu können: Du bist kein netter Kerl.
Aber er schwieg. Es gab nichts zu sagen. Die Situation war eindeutig, der Junge hatte Larrys Gegenwehr erzwungen. Als er Joe betrachtete, der sich jetzt verzweifelt über die Knie gekrümmt und den Daumen in den Mund gesteckt hatte, bezweifelte er, ob der Junge selbst die Situation ausgelöst hatte. Aber es hätte schlimmer ausgehen können, mit einer Stichwunde oder möglicherweise sogar einem Toten.
Also sagte er nichts, sah der Frau in die sanften Augen und dachte: Ich glaube, ich habe mich verändert. Irgendwie. Ich weiß nicht, wie sehr. Er mußte an etwas denken, das Barry Grieg einmal zu ihm gesagt hatte - über einen Rhythmusgitarristen aus L. A., einen Typen namens Jory Baker, der stets pünktlich kam, nie eine Probe versäumte oder eine Aufnahme versaute. Kein Gitarrist, der einem ins Auge fiel, kein Showman wie Angus Young oder Eddie Van Haien, aber ein fähiger Bursche. Barry hatte gesagt, daß dieser Jory Baker mal die treibende Kraft einer Gruppe namens Sparx gewesen war, eine Gruppe, die jedermann als die erfolgversprechendste des Jahres betrachtete. Sie hatten einen Sound draufgehabt wie die frühen Creedence: harter, solider Gitarren-Rock. Jory Baker hatte die Sachen fast sämtlich alleine geschrieben und durch die Bank selbst gesungen. Dann ein Autounfall, gebrochene Knochen, jede Menge Dope im Krankenhaus. Er war rausgekommen, wie es in einem Song von John Prine hieß, »with a steel plate in his head and a monkey on his back« - »mit einer Stahlplatte im Schädel und einem Affen auf dem Rücken«. Er stieg von Demerol auf Heroin um. Wurde ein paarmal hopps genommen. Nach einer Weile war er einer von vielen namenlosen
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