The Stand. Das letze Gefecht
verschlingen.
»... mein Name«, murmelte sie. »Preiset meinen Namen, lobet Gott, von dem aller Segen kommt, lobet ihn, ihr Kreaturen hier auf Erden...«
Sie hob den Kopf und sah sich wie betäubt im Zimmer um. Ihre Bibel war zu Boden gefallen. Im Fenster nach Osten zeigte sich das Licht der Dämmerung.
»O Herr!« schrie sie mit lauter und zitternder Stimme.
Wer schlug das Wasser aus dem Fels, als uns dürstete?
War es das? Lieber Gott, war es das? War das der Grund, warum sie Schuppen vor den Augen gehabt hatte und blind war für das, was sie wissen sollte?
Aus ihren Augen flössen bittere Tränen; sie stand langsam und unter Schmerzen auf und ging zum Fenster. Die Arthritis stach mit stumpfen Nadeln durch die Gelenke ihrer Hüften und Knie. Sie sah hinaus und wußte jetzt, was sie zu tun hatte. Sie ging zum Schrank zurück und zog das weiße Baumwollnachthemd über den Kopf, ließ es auf den Boden fallen. Jetzt stand sie nackt da und zeigte einen so faltigen und zerfurchten Leib, daß er das Bett des großen Stromes der Zeit hätte sein können.
»Dein Wille geschehe«, sagte sie und kleidete sich an. Eine Stunde später ging sie langsam durch die Mapletown Avenue nach Westen zu den waldigen Hängen der engen Schluchten jenseits der Stadt.
Stu war mit Nick im Kraftwerk, als Glen hereinstürzte. Ohne Vorrede sagte er: »Mutter Abagail. Sie ist weg.«
Nick sah ihn stechend an.
»Was redest du da?« fragte Stu und zog Glen gleichzeitig von den Leuten weg, die damit beschäftigt waren, Kupferdraht um eine der durchgeschmorten Turbinen zu wickeln.
Glen nickte. Er war mit dem Fahrrad die fünf Meilen hierher gefahren und immer noch ein wenig außer Atem.
»Ich wollte zu ihr, um ihr ein wenig von der Versammlung zu erzählen und ihr das Band vorzuspielen, falls sie es hören wollte. Sie sollte das mit Tom erfahren, weil mir die ganze Sache nicht gefällt... was Frannie gesagt hat, hat mich in der Nacht nicht losgelassen, glaube ich. Ich wollte es früh tun, denn Ralph hatte mir gesagt, dass heute zwei weitere Gruppen eintreffen, und du weißt ja, daß sie Wert darauf legt, die Leute zu begrüßen. Ich ging gegen halb neun zu ihr. Sie antwortete nicht auf mein Klopfen, und ich ging hinein. Wenn sie geschlafen hätte, wäre ich wieder gegangen... aber ich wollte nachsehen, ob sie nicht tot war oder so... sie ist so alt. «
Nick ließ keinen Blick von Glens Lippen.
»Aber sie war überhaupt nicht da. Und ich habe das auf ihrem Kopfkissen gefunden.« Er reichte ihnen ein Papierhandtuch. Sie hatte mit großen, zittrigen Buchstaben folgendes darauf geschrieben:
Ich werde eine Weile fort sein. Ich habe gesündigt und mir angemaßt, die Gedanken des Herrn zu kennen. Meine Sünde war STOLZ, und er will, daß ich meinen Platz in seiner Arbeit neu suche. Ich werde bald wieder bei Euch sein, wenn es Gottes Wille ist.
Abby Freemantle
»Also da soll doch gleich«, sagte Stu. »Was machen wir jetzt? Was meinst du, Nick?«
Nick nahm den Zettel und las ihn noch einmal. Er gab ihn Glen zurück. Sein Gesicht war nicht mehr böse, nur traurig.
»Ich glaube, wir müssen die Versammlung heute abend verschieben«, sagte Glen.
Nick schüttelte den Kopf. Er nahm seinen Block, schrieb, riß den Zettel ab und gab ihn Glen. Stu sah ihm über die Schulter.
»Der Mensch denkt, Gott lenkt. Der Spruch gefiel Mutter A., sie hat ihn oft zitiert. Glen, du hast selbst gesagt, sie sei fremdbestimmt; von Gott oder ihren eigenen Gedanken oder ihren Selbsttäuschungen oder was es auch sei. Was können wir machen? Sie ist weg. Wir können es nicht ändern.«
»Aber der Aufruhr...« fing Stu an.
»Natürlich wird es einen Aufruhr geben«, sagte Glen. »Nick, sollten wir nicht wenigstens eine Sitzung des Komitees einberufen und die Sache diskutieren?«
Nick schrieb: »Wozu? Was nützt uns eine Sitzung, wenn wir nichts bewerkstelligen können?«
»Wir könnten einen Suchtrupp auf die Beine stellen. Sie kann noch nicht weit sein.«
Nick malte einen doppelten Kreis um die Worte Der Mensch denkt, Gott lenkt . Darunter schrieb er: »Wenn ihr sie findet, wie wollt ihr sie zurückbringen? In Ketten?«
»Mein Gott, nein!« rief Stu. »Aber wir können sie doch nicht herumirren lassen, Nick! Sie hat die verrückte Idee, daß sie Gott beleidigt hat. Wenn sie nun denkt, daß sie dafür in die Wüste gehen muß wie jemand aus dem Alten Testament?«
Nick schrieb: »Ich bin sicher, daß sie genau das getan hat.«
»Da haben
Weitere Kostenlose Bücher