The Stand. Das letze Gefecht
wir's!«
Glen legte Stu eine Hand auf den Arm. »Nun mal langsam, OstTexaner. Wir müssen uns über den Sinn der Sache klarwerden.«
»Zum Teufel mit dem Sinn! Ich sehe keinen Sinn darin, eine alte Frau Tag und Nacht in der Wildnis herumirren zu lassen, bis sie an Unterkühlung stirbt!«
»Sie ist nicht nur eine alte Frau. Sie ist Mutter Abagail, und hier ist sie der Papst. Wenn der Papst beschließt, nach Jerusalem zu wandern, würdest du dann als guter Katholik mit ihm darüber streiten?«
»Verdammt, das ist etwas anderes, das weißt du genau!«
»Es ist nichts anderes. Nein. Jedenfalls werden die Leute in der Freien Zone es so sehen. Stu, würdest du darauf schwören, dass Gott ihr nicht gesagt hat, sie soll in die Wildnis gehen?«
»Nein... aber...«
Nick hatte geschrieben und zeigte den Zettel Stu, der nicht gleich alle Worte entziffern konnte. Nick hatte sonst eine gestochene Handschrift, aber dies hatte er eilig, vielleicht ungeduldig geschrieben.
»Stu, das ändert nichts, außer daß es möglicherweise die Moral der Leute in der Freien Zone beeinträchtigen könnte. Aber auch das ist nicht sicher. Die Leute werden nicht gleich auseinanderlaufen, bloss weil sie weg ist. Es bedeutet nur, daß wir sie nicht gleich in unsere Pläne einweihen müssen. Das ist vielleicht ganz gut.«
»Ich werde noch verrückt«, sagte Stu. »Manchmal reden wir von ihr wie von einem Hindernis, das wir überwinden müssen, wie eine Straßensperre oder so was. Dann wieder tut ihr so, als wäre sie der Papst und könnte keinen Fehler machen, selbst wenn sie wollte. Und zufällig mag ich sie. Was willst du, Nicky? Daß im Herbst jemand in einer der Schluchten westlich der Stadt über ihre Leiche stolpert? Willst du sie dort draußen lassen, damit sie... eine heilige Mahlzeit für die Krähen abgibt?«
»Stu«, sagte Glen leise. »Es war ihre Entscheidung zu gehen.«
» Verdammt , was für ein Mist«, sagte Stu.
Um die Mittagszeit hatte sich die Nachricht von Mutter Abagails Verschwinden schon überall herumgesprochen. Wie Nick vorausgesagt hatte, herrschte eher betrübte Resignation als Entsetzen vor. Die Leute hatten das Empfinden, sie sei hinausgegangen, um zu beten und Gott um Rat zu bitten, damit sie ihnen auf der Massenversammlung am achtzehnten helfen konnte, den rechten Weg zu finden.
»Ich will sie nicht Gott nennen, denn das wäre Lästerung«, sagte Glen, als sie im Park eine Kleinigkeit aßen, » aber sie ist eine Art Stellvertreterin Gottes. Die Stärke des Glaubens einer Gemeinschaft läßt sich daran messen, wieviel schwächer der Glaube wird, wenn ihm sein empirisches Objekt entzogen wird.«
»Sag das noch mal.«
»Als Moses das goldene Kalb zertrümmert hat, haben die Israeliten es nicht mehr angebetet. Als eine Flutwelle den Tempel von Baal vernichtet hat, sind die Malachiten zu dem Ergebnis gekommen, dass er doch kein so toller Gott ist. Aber Jesus macht schon seit zweitausend Jahren Mittagspause, und die Leute folgen nicht nur immer noch seiner Lehre, sondern sie leben und sterben in dem Glauben, daß er eines Tages zurückkehren und damit wieder alles beim alten sein wird. So empfindet die Freie Zone gegenüber Mutter Abagail. Die Leute sind völlig sicher, daß sie zurückkommen wird. Hast du mit ihnen gesprochen?«
»Ja«, sagte Stu. »Es ist kaum zu glauben. Eine alte Frau irrt dort draußen herum, und alle sagen: Oho, ich frage mich, ob sie rechtzeitig zur Versammlung die Zehn Gebote auf Steintafeln mitbringt.«
»Vielleicht tut sie es ja«, sagte Glen ernst. »Übrigens sagen nicht alle Oho. Ralph Brentner rauft sich die Haare.«
»Schön für Ralph.« Er sah Glen eingehend an. »Und was ist mit dir, Platte? Wie denkst du über die ganze Sache?«
»Wenn du mich nur nicht so nennen würdest. Es ist so würdelos. Aber ich will dir mal was sagen... es ist ein bißchen komisch. Es stellt sich heraus, daß der alte Ost-Texaner gegen den Gotteszauber, den sie über diese Gemeinschaft gelegt hat, eher immun ist als der ungläubige alte Soziologe. Ich glaube, daß sie zurückkommen wird. Wie denkt Frannie darüber?«
»Ich weiß nicht. Ich habe sie den ganzen Morgen noch nicht gesehen. Womöglich ist sie auch dort draußen und ißt mit Mutter Abagail Heuschrecken und wilden Honig.« Er sah zu den Flatirons, die sich aus dem Dunst des frühen Nachmittags erhoben. »Mein Gott, Glen, ich hoffe nur, der alten Dame ist nichts passiert.«
Fran wußte nicht einmal, daß Mutter Abagail verschwunden war.
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