The Stand. Das letze Gefecht
jetzt elend am Straßenrand sterben würde. Sein Bein war angeschwollen wie ein Abwasserrohr und roch wie faulende, überreife Bananen, und er sass da, während Bussarde über ihm mit den Aufwinden kreisten, und versuchte, das Unfaßbare vernunftmäßig zu begründen. Er war das Opfer der Tatsache geworden, daß er nicht erwachsen geworden war, so einfach war das. Seine eigenen tödlichen Visionen hatten ihn vergiftet.
Sterbend empfand er, daß er ein wenig Vernunft zurückgewonnen hatte, vielleicht ein wenig Würde. Und das wollte er nicht durch billige Entschuldigungen beflecken, die auf Krücken vom Blatt gehinkt kamen.
»Ich hätte in Boulder etwas werden können«, sagte er leise, und diese einfache, schreckliche Wahrheit hätte ihm Tränen in die Augen getrieben, wenn er nicht so müde und ausgetrocknet gewesen wäre. Er sah von den ungelenken Buchstaben zum Colt. Plötzlich wollte er Schluß machen und versuchte, darüber nachzudenken, wie er sein Leben auf die ehrlichste und einfachste Weise beenden konnte. Es erschien ihm notwendiger denn je, seine Gedanken aufzuschreiben und sie dem zurückzulassen, der ihn finden mochte, sei es in einem oder in zehn Jahren.
Er nahm den Stift. Überlegte. Schrieb:
Ich bitte um Vergebung für die Zerstörung, die ich angerichtet habe, leugne aber nicht, daß ich aus freien Stücken gehandelt habe. Meine Schularbeiten habe ich immer mit Harold Emery Lauder unterschrieben. Auch meine Manuskripte - so armselig sie waren - habe ich so unterschrieben. Gott helfe mir, ich habe den Namen einmal in einen Meter großen Buchstaben auf ein Scheunendach geschrieben. Jetzt will ich mit dem Namen unterschreiben, den man mir in Boulder gegeben hat. Damals konnte ich ihn nicht akzeptieren, aber heute ist er mir lieb.
Ich werde bei gesundem Verstand sterben.
Unten an den Rand setzte er säuberlich seine Unterschrift: Hawk. Er klappte das Permacover-Notizbuch langsam zu. Er schob die Kappe auf den Stift und steckte ihn in die Tasche. Er nahm den Lauf der Pistole in den Mund und sah zum blauen Himmel hinauf. Er dachte an ein Spiel, das sie als Kinder gespielt hatten, ein Spiel, bei dem die anderen ihn gehänselt hatten, weil er sich nicht traute, es mitzumachen. Außerhalb der Stadt lag an einer der Nebenstraßen eine Kiesgrube, von deren Rand man in die Tiefe springen und einen Augenblick, bei dem einem das Herz stillstand, fallen mußte, bis man im Sand landete, sich ein paarmal überschlug und nach oben kletterte, um wieder von vorne anzufangen.
Alle außer Harold. Harold stand oben auf der Kante und rief Eins... Zwei... Drei ! wie die anderen, aber bei ihm funktionierte der Zauber nicht. Seine Füße wollten sich nicht bewegen. Er konnte nicht hinunterspringen. Und die anderen jagten ihn manchmal bis nach Hause, beschimpften ihn und nannten ihn Harold, den Angsthasen.
Er dachte: Wenn ich nur einmal gesprungen wäre... nur ein einziges Mal... wäre ich vielleicht nicht hier. Aber das letzte Mal zählt.
Er dachte: Eins... Zwei... DREI !
Er drückte ab.
Der Schuß ging los.
Harold sprang.
Nördlich von Las Vegas liegt Emigrant Valley, und in dieser Nacht brannte ein kleines Feuer in dieser mit Felsbrocken übersäten Wildnis. Randall Flagg saß davor und grillte mißmutig ein kleines Kaninchen. Er drehte es an dem primitiven Bratspieß, den er sich gebaut hatte, und sah zu, wie es brutzelte und Fett zischend in die Flammen tropfte. Ein leichter Wind wehte den Bratenduft in die Wüste hinaus, und die Wölfe waren gekommen. Sie saßen zwei Bodenerhebungen von seinem Feuer entfernt und heulten den fast vollen Mond an, und weil sie das Fleisch rochen. Hin und wieder sah er zu ihnen hinüber, und zwei oder drei Tiere fingen an, sich zu beißen, nach einander zu schnappen und mit den kräftigen Hinterbeinen zu treten, bis der Schwächste vertrieben war. Dann fingen die anderen wieder an zu heulen, die Schnauzen zum rötlichen, geschwollenen Mond emporgereckt.
Aber inzwischen langweilten ihn die Wölfe.
Er trug seine Jeans und seine abgenutzten Stiefel und seine Schaf fell Jacke mit den zwei Buttons auf den Brusttaschen: Smiley und HEUTE SCHWEIN - MORGEN SCHINKEN. Der Nachtwind spielte mit seinem Kragen.
Es gefiel ihm nicht, wie die Dinge sich entwickelten. Der Wind trug ihm böse Omen zu, schlimme Vorzeichen wie Fledermäuse, die im Dachboden einer verlassenen Scheune flatterten. Die alte Frau war gestorben, und anfangs hatte er gedacht, das wäre gut. Trotz allem hatte er vor
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