Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
The Stand. Das letze Gefecht

The Stand. Das letze Gefecht

Titel: The Stand. Das letze Gefecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
wandern, am Tag schlafen.
    Ohne sich noch einmal umzusehen, ging er auf den Hof des Gebäudes hinaus. Der Mond schien so hell, daß er einen Schatten auf den riesigen Beton warf, wo früher Möchtegern-Gewinner ihre Autos mit den Nummernschildern anderer Staaten geparkt hatten. Er sah zu der geisterhaften Münze empor, die am Himmel schwebte.
    »M-O-N-D, das buchstabiert man Mond«, flüsterte er. »Meine Fresse, ja. Tom Cullen weiß, was das bedeutet.«
    Sein Fahrrad lehnte an der rosa Stuckmauer des Mietshauses. Er hielt noch einmal inne, rückte den Rucksack zurecht, stieg auf und brach Richtung Interstate auf. Um elf Uhr hatte er Las Vegas hinter sich gelassen und radelte auf der Standspur der 1-15 Richtung Osten. Niemand sah ihn. Kein Alarm wurde ausgelöst. Sein Verstand schaltete in einen angenehmen Leerlauf, wie meistens, wenn alles Wichtige erledigt war. Er radelte konstant dahin und dachte nur, daß sich der leichte Nachtwind angenehm auf seinem verschwitzten Gesicht anfühlte. Ab und zu mußte er um eine Sanddüne herumfahren, die aus der Wüste gekommen war und einen weißen, geisterhaften Arm über die Straße gelegt hatte, und als er die Stadt schon ein gutes Stück hinter sich gelassen hatte, mußte er sich auch mit liegengebliebenen Autos herumschlagen-sehet meine Werke, ihr Mächtigen, und verzweifelt, hätte Glen Bateman vielleicht in seiner ironischen Art gesagt. Um zwei Uhr nachts hielt er an und nahm einen leichten Imbiß aus Slim Jims, Crackern und Kool-Aid aus der großen Thermosflasche auf dem Gepäckträger zu sich. Dann fuhr er weiter. Der Mond war untergegangen. Las Vegas blieb mit jeder Umdrehung der Fahrradreifen weiter zurück. Das verbesserte seine Stimmung erheblich.
    Aber am Morgen des 13. September um Viertel vor vier wusch eine kalte Welle der Angst über ihn hinweg. Sie war um so schrecklicher, weil sie unerwartet kam und unlogisch war. Tom hätte laut geschrien, aber seine Stimmbänder waren plötzlich wie gefroren. Die Muskeln seiner tretenden Beine wurden schlaff, er rollte unter dem strahlenden Sternenhimmel entlang. Das schwarzweiße Negativ der Wüste zog immer langsamer an ihm vorüber.
    Er war in der Nähe.
    Der Mann ohne Gesicht, der Dämon, der nun auf Erden wandelte. Flagg.
    Den Boß nannten sie ihn. Den Grinsenden nannte Tom ihn insgeheim. Wenn man sein Grinsen sah, gerann einem das Blut in den Adern, und das Fleisch wurde kalt und grau. Der Mann, der eine Katze veranlassen konnte, Haarklumpen auszuwürgen, wenn er sie nur ansah. Wenn er über eine Baustelle ging, schlugen sich die Männer mit dem Hammer auf die Daumen und setzten Schindeln falsch ein und gingen wie Schlafwandler über das Ende des Gerüstes hinaus und...
    ... und, o du lieber Gott, er ist wach!
    Ein Wimmern drang aus Toms Kehle. Er spürte diese plötzliche Wachheit. Er schien zu sehen und zu fühlen, wie sich in der Dunkelheit des frühen Morgens ein Auge öffnete, ein entsetzliches rotes Auge, das noch vom Schlaf getrübt und verwirrt war. Es drehte sich in der Dunkelheit. Suchte. Suchte nach ihm. Es wußte, daß Tom Cullen da war, aber nicht genau, wo er war.
    Halb betäubt fand er die Pedale und fuhr weiter, schneller und schneller, beugte sich über den Lenker, um den Luftwiderstand zu verringern. Zuletzt flog er nur so dahin. Wäre ihm ein liegengebliebenes Auto im Weg gewesen, wäre er mit Vollgas dagegen gerast und hätte sich wahrscheinlich umgebracht. Aber ganz allmählich spürte er, daß er diese unheimliche, heiße Präsenz hinter sich gelassen hatte. Und das größte Wunder war, daß dieses fürchterliche rote Auge in seine Richtung geblickt und ihn nicht gesehen ( vielleicht weil ich mich so weit über den Lenker gebeugt habe , dachte Tom Cullen zusammenhanglos) und sich wieder geschlossen hatte.
    Der dunkle Mann war wieder eingeschlafen.
    Wie fühlt sich ein Kaninchen, wenn der Schatten des Habichts auf es herabfährt wie ein dunkles Kruzifix... und dann weitersaust, ohne auch nur die Geschwindigkeit zu verringern? Wie fühlt sich eine Maus, wenn die Katze, die den ganzen Tag vor dem Loch gesessen hat, von ihrem Herrn gepackt und unzeremoniell durch die Haustür nach draußen befördert wird? Wie fühlt sich ein Reh, wenn es leise an dem gewaltigen Jäger vorbeizieht, der nach drei Flaschen Bier zum Mittagessen schnarcht? Vielleicht fühlen sie überhaupt nichts, oder vielleicht empfinden sie wie Tom Cullen, als er diese schwarze und gefährliche Einflußsphäre hinter sich gelassen

Weitere Kostenlose Bücher