The Stand. Das letze Gefecht
hatte: eine gewaltige und fast elektrisierende Sonneneruption der Erleichterung; ein Gefühl der Wiedergeburt. Und ganz besonders das Gefühl einer nur knapp wiedergewonnenen Sicherheit und daß ein solches Glück sicher ein Zeichen des Himmels sein muß.
Er fuhr bis fünf Uhr morgens. Vor ihm verwandelte sich der Himmel in das dunkelblau eingefaßte Gold des Sonnenaufgangs. Die Sterne verblaßten.
Tom war hundemüde. Er fuhr noch ein Stück weiter und entdeckte etwa siebzig Meter rechts von der Straße eine steil abfallende Senke. Er schob sein Fahrrad hinüber in die trockene Grube. Fast instinktiv sammelte er genügend Gras und Zweige von Mesquitesträuchern, um das Fahrrad weitgehend zu bedecken. Ein paar Meter von seinem Fahrrad entfernt standen gegeneinandergelehnt zwei große Felsen. Er kroch in die schattige Spalte zwischen ihnen, legte die Jacke unter den Kopf und schlief fast auf der Stelle ein.
67
Der Wandelnde Geck war wieder in Vegas.
Er war morgens gegen neun Uhr dreißig eingetroffen. Lloyd hatte ihn kommen sehen. Flagg hatte Lloyd gesehen, aber keine Notiz von ihm genommen. Er war mit einer Frau durch das Foyer des Grand gegangen. Obwohl fast niemand den dunklen Mann gern ansah, hatten sich alle nach der Frau umgedreht. Ihr Haar war schneeweiß. Sie hatte einen schrecklichen Sonnenbrand, so schlimm, daß Lloyd an die Opfer der Brandkatastrophe in Indian Springs denken mußte. Weißes Haar, schrecklicher Sonnenbrand, völlig leerer Blick. Ihre Augen blickten so ausdruckslos in die Welt, daß es über jede Gemütsruhe, ja selbst über Stumpfsinn hinausging. Lloyd hatte solche Augen schon einmal gesehen. In Los Angeles, als der dunkle Mann mit Eric Strellerton fertig war, dem Anwalt, der ihm sagen wollte, was zu tun war.
Flagg sah niemanden an. Er grinste. Er führte die Frau zum Fahrstuhl. Die Türen schlossen sich hinter ihnen, sie fuhren ins oberste Stockwerk.
Während der nächsten sechs Stunden beschäftigte Lloyd sich emsig damit, alles auf die Reihe zu bekommen, damit er vorbereitet war, wenn Flagg seinen Bericht verlangte. Er glaubte, alles unter Kontrolle zu haben. Er mußte nur noch Paul Burlson fragen, was er über diesen Tom Cullen hatte, falls Julie Lawry tatsächlich auf etwas gestoßen war. Lloyd hielt es für unwahrscheinlich, aber bei Flagg war es besser, auf Nummer Sicher zu gehen, als es später zu bereuen. Viel besser.
Er nahm den Telefonhörer und wartete geduldig. Nach einer Weile knackte es, und er hatte Shirley Dunbars Tennessee-Dialekt im Ohr:
»Vermittlung.«
»Hi, Shirley, hier ist Lloyd.«
»Lloyd Henreid! Wie geht's dir denn?«
»Einigermaßen, Shirl. Versuchst du es bei 6214 für mich?«
»Paul? Der ist nicht zu Hause. Er ist in Indian Springs. Aber ich könnte versuchen, ihn im HQ zu erreichen.«
»Okay, versuch es.«
»Mach' ich. Sag mal, Lloyd, wann kommst du eigentlich mal vorbei und versuchst meinen Kaffeekuchen? Ich backe alle zwei oder drei Tage einen neuen.«
»Bald, Shirley«, sagte Lloyd und verzog das Gesicht. Shirley war vierzig, schätzungsweise hundertachtzig Pfund schwer... und hatte es auf Lloyd abgesehen. Er mußte sich ihretwegen eine Menge Spötteleien gefallen lassen, besonders von Whitney und Ronnie Sykes. Aber sie war eine ausgezeichnete Telefonistin, die mit dem Telefonnetz von Las Vegas wahre Wunder vollbringen konnte. Nach dem Strom war ihre oberste Priorität gewesen, die Telefone wieder einzuschalten, zumindest die wichtigsten Verbindungen, aber die meisten automatischen Relais waren durchgeschmort, daher mußten sie sich mit dem Äquivalent von Blechdosen und gewachsten Schnüren begnügen. Außerdem kam es ständig zu Ausfällen. Shirley handhabte das, was es zu handhaben gab, mit unvorstellbarem Geschick, und sie hatte viel Geduld mit den drei oder vier anderen Telefonistinnen, die noch lernten.
Und sie machte wirklich einen köstlichen Kaffeekuchen.
» Echt bald«, fügte er hinzu und dachte, wie schön es wäre, wenn man Julie Lawrys festen, runden Körper mit den Fähigkeiten und der sanften, geduldigen Natur von Shirley Dunbar verbinden könnte. Damit schien sie zufrieden. Es piepste und pupste in der Leitung, dann ein schrilles, hallendes Heulen, bei dem er den Hörer vom Ohr nahm und das Gesicht verzog. Dann läutete das Telefon am anderen Ende - eine Reihe heiserer Schnurrlaute.
»Bailey, HQ«, sagte eine Stimme, die durch die Entfernung blechern klang.
»Hier ist Lloyd«, brüllte er ins Telefon. »Ist Paul
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