The Stand. Das letze Gefecht
Augen und schrieb, daß er sie liebe. Ich erwarte, daß Du um mich trauerst und dann weitermachst , schrieb er. Du und das Baby, ihr müßt weitermachen . Das ist jetzt das wichtigste. Er unterschrieb, faltete den Zettel zusammen und steckte ihn mit der Karte wieder in die Hülle. Dann befestigte er die Plastikhülle mit Hilfe des Rings an Kojaks Halsband.
»Braver Hund«, sagte er, als er damit fertig war. »Bist du so nett und schnüffelst mal ein bißchen in der Gegend rum? Holst du uns ein Kaninchen oder so was?«
Kojak sprang den Hang hinauf, an dem Stu sich das Bein gebrochen hatte, und war verschwunden. Stu beobachtete seine Klettertour mit einer Mischung aus Bitterkeit und Belustigung; dann nahm er die leere 7-Up-Dose, die Kojak ihm einmal statt eines Astes gebracht hatte. Er hatte sie mit schlammigem Wasser aus dem Graben gefüllt.
Wenn das Wasser längere Zeit stand, sank der Schlamm auf den Boden. Es war zwar ein scheußliches Getränk, aber, wie seine Mutter gesagt hätte, ein scheußliches Getränk ist besser als gar keins. Er trank ganz langsam und stillte seinen Durst Schluck für Schluck. Dabei tat ihm der Hals weh.
»Das Leben ist eins der schwersten«, murmelte er, und dann mußte er über sich selbst lachen. Kurz betastete er die Schwellungen ganz oben am Hals, knapp unter dem Kieferknochen. Dann legte er sich zurück, das geschiente Bein vor ihm, und döste vor sich hin.
Eine Stunde später schrak er hoch und griff in seiner Panik mit den Händen in den Sand. Ein Alptraum? Das mußte es wohl sein, denn der Boden bewegte sich langsam unter seinen Händen.
Ein Erdbeben? Wie konnte es hier ein Erdbeben geben?
Einen Augenblick lang glaubte er schon, er sei im Delirium. Vielleicht hatte er, während er schlief, wieder Fieber bekommen. Aber als er zu der Wasserrinne hinuntersah, sah er den Schlamm in kleinen Brocken in das Wasser rutschen. Seine erstaunten Augen sahen in den hüpfenden, tanzenden Steinen Glimmer und Quarzstücke blinken. Dann hörte er ein schwaches, dumpfes Geräusch - es schien in seine Ohren hineinzustoßen. Ein paar Sekunden später rang er nach Atem, als würde alle Luft aus der Rinne hinausgeschoben, die das Hochwasser gewühlt hatte.
Über sich hörte er ein Jaulen. Kojak war als Silhouette oben am westlichen Hang des Einschnitts zu sehen. Er hatte sich hingekauert, den Schwanz zwischen den Beinen, und starrte nach Westen in Richtung Nevada.
»Kojak!« Vor Angst schrie Stu übermäßig laut. Das dumpfe Geräusch hatte ihn beunruhigt - es war, als habe irgendwo in nicht allzu großer Entfernung Gott mit dem Fuß auf den Wüstenboden gestampft.
Kojak sprang den Hang hinunter und kam winselnd herbei. Als er Kojak mit der Hand über den Rücken fuhr, fühlte er, wie der Hund zitterte. Er mußte nachsehen. Er mußte. Ein plötzliches Gefühl der Gewißheit überkam ihn: Das, was hatte geschehen sollen, war geschehen. In diesem Moment.
»Ich gehe nach oben, alter Junge«, murmelte Stu.
Er kroch zum östlichen Hang hinüber. Er war zwar steiler, aber dort hatte man den besseren Halt. Er hatte in den letzten Tagen überlegt, ob es ihm wohl gelingen würde, hinaufzuklettern, aber dann war es ihm wenig sinnvoll erschienen. Hier unten konnte er sich vor dem Wind schützen. Aber jetzt mußte er hinauf. Er mußte Ausschau halten. Er zog sein geschientes Bein hinter sich her wie eine Keule.
Er stützte sich auf die Hände und schaute nach oben. Der Hang sah sehr hoch aus, das Ziel sehr weit entfernt.
»Das schaffe ich nicht«, murmelte er, aber er versuchte es trotzdem. Ein neuer Haufen Geröll hatte sich unten aufgetürmt. Durch das... das Erdbeben. Oder was es auch gewesen sein mochte. Stu kroch über den Geröllhaufen hinweg und arbeitete sich Zoll für Zoll den Hang hinauf. Er schaffte knapp zwölf Meter und rutschte dann wieder sechs Meter nach unten, weil es ihm nicht gelang, sich rechtzeitig an einem vorspringenden Stück Quarz festzuhalten.
»Nein, es geht nicht«, ächzte er und ruhte sich ein wenig aus. Zehn Minuten später versuchte er es erneut. Er erreichte eine Stelle, wo er keinen Halt fand, und mußte nach links kriechen. Kojak war mitgekommen und wunderte sich vermutlich, warum dieser Narr sein Wasser und sein warmes Feuer verlassen hatte.
Warm. Zu warm.
Das Fieber mußte wiedergekommen sein. Aber wenigstens zitterte er nicht mehr. Frischer Schweiß lief ihm über Gesicht und Arme. Sein staubiges und fettiges Haar hing ihm in die Augen.
Mein Gott,
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