The Stand. Das letze Gefecht
ich verbrenne! Muß achtunddreißig, neununddreißig Grad...
Er schaute zufällig Kojak an. Es dauerte eine Minute, bis er begriff, was er gesehen hatte. Kojak hechelte. Es war kein Fieber, oder nicht einfach Fieber, denn Kojak fühlte sich ebenfalls heiß. Über ihm zog ein Schwärm Vögel vorbei, kreischend, ziellos, mit wildem Flügellschlag.
Sie spüren es auch. Was immer es sein mag, die Vögel spüren es auch.
Er kroch weiter, und die Angst verlieh ihm zusätzliche Kräfte. Er kämpfte um jeden Zoll. Gegen ein Uhr nachmittags war er nur noch ungefähr zwei Meter von der oberen Kante entfernt. Er sah oben schon die Straßentrümmer. Nur zwei Meter, aber der Hang war hier besonders steil. Einmal versuchte er weiterzuklettern, indem er sich wie eine Vipernatter wand und krümmte, aber das Geröll, aus dem das Straßenbett bestand, gab überall nach. Wenn er weiterstieg, würde er höchstens den Abhang wieder hinunterrutschen und sich womöglich auch noch das andere Bein brechen.
»Ich stecke fest«, murmelte er. »Na, großartig. Und was jetzt?«
Und was jetzt, wurde ihm sehr schnell deutlich. Auch ohne daß er herumkroch, bewegte sich der Boden unter ihm, und er rutschte ein Stück ab. Er versuchte, sich festzukrallen. In seinem gebrochenen Bein klopfte es, und er hatte vergessen, Glens Pillen einzustecken.
Er glitt noch zwei Zoll nach unten. Dann fünf. Plötzlich hing sein linker Fuß frei im Raum. Er hielt sich nur noch mit den Händen fest und begann abzurutschen. Seine Finger zogen zehn kleine Furchen in den feuchten Boden.
»Kojak!« schrie er verzweifelt und versprach sich nichts davon. Aber plötzlich war Kojak da. Blind legte Stu ihm die Arme um den Hals. Er erwartete keine Rettung, er hatte, wie ein Ertrinkender, ganz einfach nach irgend etwas gegriffen. Kojak versuchte nicht, sich von ihm zu lösen. Er stemmte sich mit den Pfoten in den Boden. Ein paar Sekunden lang hingen sie erstarrt wie lebende Skulpturen. Dann begann Kojak sich zu bewegen. Er versuchte, nach oben zu kommen. Seine Pfoten traten Erdbrocken und Geröll los, und Steine flogen Stu ins Gesicht. Er schloß die Augen. Kojak zog ihn nach oben und keuchte dabei neben Stus rechtem Ohr wie ein Kompressor.
Stu öffnete die Augen wieder und sah, daß sie fast oben waren. Kojak hielt den Kopf gesenkt. Seine Hinterbeine arbeiteten mit aller Kraft. Er schaffte noch ein paar Zoll, und das reichte. Mit einem verzweifelten Schrei ließ Stu Kojaks Hals los und griff nach einem vorstehenden Stück Asphalt. Es brach unter seinem Gewicht ab. Er packte einen zweiten Zacken. Zwei Fingernägel lösten sich langsam, wie feuchte Abziehbilder, und er schrie laut auf. Die Schmerzen waren gemein. Er stieß sich mit seinem gesunden Bein ab, wühlte sich mit verzweifelter Wut hinauf, und endlich - irgendwie - lag er keuchend und mit geschlossenen Augen auf der Straßendecke der 1-70.
Kojak tauchte neben ihm auf, winselte und leckte ihm das Gesicht. Ganz langsam richtete Stu sich auf und blickte nach Westen. Er schaute lange Zeit und dachte nicht mehr an die Hitze, die ihm immer noch in dichten, warmen Wellen ins Gesicht wehte.
»Oh, mein Gott«, sagte er endlich leise und mit brüchiger Stimme.
»Sieh dir das an, Kojak. Larry. Glen. Sie sind weg. Mein Gott, alles ist weg. Alles weg.«
Die pilzförmige Wolke stand am Horizont wie eine geballte Faust an einem langen staubigen Unterarm. Mit zerfransten Rändern stieg sie wirbelnd in die Höhe und begann sich aufzulösen. Hinter ihr sah Stu ein dunkles Orangerot, als hätte die Sonne beschlossen, schon am frühen Nachmittag unterzugehen.
Der Feuersturm, dachte er.
In Las Vegas mußten jetzt alle tot sein. Jemand mußte irgendwo irgendwie Scheiße gebaut haben, und ein nuklearer Sprengkopf war detoniert... und nach dem Anblick und nach seinem Gefühl zu urteilen ein verdammt großer. Vielleicht war ein ganzes Arsenal hochgegangen. Glen, Larry, Ralph... selbst wenn sie Vegas noch nicht erreicht hatten, mußten sie nahe genug gewesen sein, um lebendig gebacken zu werden.
Dicht neben ihm winselte Kojak kläglich.
Der Fallout. In welche Richtung wird der Wind ihn treiben? Spielte das eine Rolle?
Er dachte an die Nachricht für Frannie. Es war wichtig, daß er hinzufügte, was passiert war. Wenn der Wind den radioaktiven Fallout nach Osten wehte, könnte es dort drüben problematisch werden... wichtiger noch, wenn Las Vegas der Tummelplatz des dunklen Mannes gewesen war, dann mußten sie in Boulder erfahren,
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