The Vampire Diaries - Stefan's Diaries - Schatten des Schicksals: Band 5 (German Edition)
regennassen Straßen zu folgen. Die breite, gepflasterte Durchfahrt der Fleet Street war in beiden Richtungen gerammelt voll mit Kutschen. Damon dicht auf den Fersen, versuchte ich, mich durch den Londoner Verkehr zu schlängeln. Unsere Füße berührten kaum das nasse Pflaster, das Blut rauschte mir in den Ohren. Mein Hunger war vergessen– mich interessierte nur noch, dass Damon und ich es zu unserem Unterschlupf zurückschafften.
» Schneller, schneller, schneller!«, drängte ich, obwohl ich nicht wusste, ob ich mit Damon oder mit mir selbst sprach.
» Haltet sie!«
» Polizei!«
Hinter uns hatte sich eine Menschenmenge gebildet, die uns wild verfolgte, und auch einige Kutscher stürzten sich jetzt in das Getümmel. Ich hörte einen Schuss, danach splitterndes Glas. Und dann sprang eine Gestalt vor mich hin.
Ich stand einem wild dreinblickenden Betrunkenen gegenüber. Er war in Lumpen gekleidet und sein Atem roch schal und ranzig.
» Ich hab ihn!«, brüllte er und hielt meinen Arm fest. Instinktiv riss ich den Arm zurück und schleuderte den Mann gegen eine Schaufensterscheibe. Das Glas zerbarst und schnitt dem Betrunkenen ins Fleisch, sodass es plötzlich überall nach Blut roch.
» Das ist nicht der Ripper!«, brüllte ein weiterer Mann, der auf mich zukam. Ich verharrte und hoffte, dass Damons Vorsprung groß genug war. Immer mehr Männer näherten sich und schwangen Messer und abgebrochene Flaschen.
» Aber er war mit ihm in der Bar!«, rief jemand. Im nächsten Moment löste ich mich aus dem Tumult und ließ die Menge hinter mir, um mit Vampirgeschwindigkeit meinem Bruder zu folgen. In der Ferne erklangen Polizeiglocken.
Ich wagte es nicht, mich auch nur einmal umzusehen. Es war, als wären mein Bruder und ich wieder auf den Feldern von Veritas und rannten miteinander um die Wette zu den Ställen. Nur dass wir jetzt nicht rannten, um den anderen zu besiegen. Wir rannten um unser Leben.
Wir trieben uns gegenseitig an und legten noch an Tempo zu, bis der Lärm der wütenden Meute hinter uns verebbte. Endlich erreichten wir die Böschung, hasteten hinunter und sprangen in den Tunnel. Die Luft war schwer und dumpf, Wassertropfen sickerten von den Wänden wie Blut aus einer Wunde. Trotzdem war ich erleichtert, hier zu sein.
Damon und ich starrten einander keuchend an.
» Nun, zumindest habe ich dabei Appetit bekommen«, bemerkte Damon trocken. Er erhob sich atemlos und versuchte seine Anstrengung zu verbergen. Schweiß rann ihm übers Gesicht. » Ich werde mir etwas zu essen suchen. Warte nicht auf mich.«
Ich nickte und schnappte immer noch nach Luft.
Einige Minuten später hörte ich ein leises Stöhnen, als Damon einem namenlosen Tunnelbewohner die Zähne in den Hals grub. Mein eigener Magen knurrte rebellisch, und ich versuchte, auf das Scharren einer Ratte zu lauschen, um meinen Hunger zumindest etwas zu besänftigen. Aber da war nichts.
Kapitel Neun
Am nächsten Morgen erwachte ich früh. Ich hatte kaum geschlafen. Meine Gedanken kreisten die ganze Zeit um Cora, wie sie völlig auf sich allein gestellt in diesem kalten, unfreundlichen Magdalenenheim zurechtkommen musste. Doch wann immer ich die Augen schloss, um ihr Gesicht heraufzubeschwören– ihren stolzen Blick, die Sommersprossen auf ihrer Nase–, erschien Katherine.
In meiner Vision lächelte sie mich an, das Haar zu einem langen Zopf geflochten, der über ihre nackte Schulter fiel.
» Kannst du nicht wenigstens ein bisschen lächeln, Stefan?«, fragte sie und schüttelte den Kopf angesichts meines Missmutes.
Ich wälzte mich hin und her. Ich wollte Katherine vergessen. Aber in Damons Gegenwart war das unmöglich. Durch die Öffnung des Tunnels fiel das schwache Licht des Morgengrauens. Ohne Damon zu wecken, kletterte ich die Leiter hinauf. Es war nass und kalt, und der Nebel war so dicht, dass man die Themse nicht sehen konnte, selbst wenn man an ihrem Ufer stand.
Ich eilte zum Magdalenenheim, die Hände tief in den Manteltaschen, schwankend und mit einem unanständigen Trinklied auf den Lippen, das häufig in Pubs angestimmt wurde. Ich wollte, dass jeder, dem ich begegnete, mich für betrunken hielt und mich in Ruhe ließ. Die taubengraue, nebelfeuchte Luft schlug mir kalt ins Gesicht, das Pflaster war glitschig.
Auf halbem Wege zum Heim entdeckte ich eine Bäckerei mit einer roten Markise davor. Es war dieselbe, in der ich mit Cora gewesen war, vor unserem Besuch im Park. Das schien eine Ewigkeit zurückzuliegen.
Aus
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