The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)
Neuigkeit zu. Prompt erinnerten sie mich daran, dass von den acht Wochen, auf die ich gewettet hatte, nur noch wenige Tage übrig blieben. Ich brüllte zurück, dass ich garantiert schnell genug aus Wakefield herauskommen würde, um die Wette zu gewinnen. Allerdings verlor ich sie dann doch, aber bereits einen Tag danach brachte man mich nach Wormwood Scrubs in London zurück. Den Artikel in der „Times“ hatte übrigens der frühere Labour-Abgeordnete Phillip Whitehead verfasst, der mich schon seit Jahren unterstützte.
Als ich Wakefield verließ, versuchte einer der begleitenden Wärter, die Behandlung, die ich dort erfahren hatte, wiedergutzumachen, indem er eine Scherzfrage stellte: „Weißt du, warum es in Irland die Hungersnot gab, Paddy?“ Ich sagte nichts. „Die hatten vergessen, wo sie die Kartoffeln hingepflanzt hatten!“ Schallendes Gelächter ... Ich weiß nicht, warum ich so bin, aber Beleidigungen meiner Person machen mir nichts aus; eine entwürdigende Bemerkung über eine Tragödie in der Geschichte Irlands jedoch schmerzt mich heftiger als alles andere. Ein paar Jahre lang hatte ich zwei wiederkehrende Gewaltträume, und es ist nicht überraschend, dass ich in einem dieser Träume wie ein Abbruchunternehmer, der einen hohen Schornstein abreißt, auf einen Knopf drückte und Wakefields Gefängnis in die Luft sprengte.
Wie erleichtert ich war, wieder in Wormwood Scrubs zu sein! Zwar war es ein alter Bau mit verfallenden Mauern und zu wenigen Anlagen für Bedürfnisse und Zeitvertreib, aber es lag in London und war damit für parlamentarische und andere Besucher gut erreichbar. Ich war wieder im D-Gebäude untergebracht, wo etwa 260 Lebenszeit- und Langzeitinhaftierte einsaßen. Dort hatte ich mehr als genug Freunde, unter ihnen auch der gute Pater Ennis und einige der „Birmingham Six“. Und das Allerbeste war, dass der Anstaltsdirektor Ian Dunbar mich an der Rezeption ansprach und sagte: „Ich habe in der „Times“ über Sie gelesen und mit Pater Ennis gesprochen. Dann habe ich dem Innenministerium gesagt, ich wäre bereit, Sie zu nehmen. Machen Sie hier nur kein dummes Zeug.“ Er hatte selbst schon Staub aufgewirbelt, als er an die „Times“ geschrieben und Gefängnisse als „Strafvollzugs-Müllkübel“ bezeichnet hatte. Dunbar behandelte mich sehr gut, und ich nahm es dankbar an.
Mittlerweile hatte ich fast neun Jahre im Gefängnis zugebracht und war immer noch als Stufe A deklariert – die Hochsicherheitskategorie für Häftlinge, deren eventuelle Flucht ein Sicherheitsrisiko für den Staat darstellte. Ich kannte allerdings ein paar englische Häftlinge ganz gut, die wegen einem oder mehrerer Morde verurteilt, aber noch im selben Jahr herabgestuft worden waren. Deshalb fand ich, es sei an der Zeit, gegen meine Einstufung zu protestieren, wenn auch wenig Aussicht auf Erfolg bestand. Also schrieb ich verschiedenen Leuten, die mich unterstützen, und sprach auch Ian Dunbar darauf an. Dunbar war ein mutiger Mann, der oft die vier Korridore des D-Gebäudes entlangspazierte. Er besuchte Hochsicherheitsgefangene tagsüber in ihren Zellen oder auch abends, wenn sie Gemeinschaftszeit hatten, wo er sie dann befragte und mit ihnen diskutierte. Angesichts der vielen Hindernisse, die das Innenministerium und das reaktionäre, gedankenlose Gefängnispersonal ihm in den Weg stellten, war er wirklich ein sehr guter Ansprechpartner. Auch die Bemühungen, die Pater Gerry Ennis meinetwegen unternahm, waren von unschätzbarem Wert.
Ein Jahr nach meiner Ankunft in Wormwood Scrubs, wo ich keinerlei Schwierigkeiten hatte, teilte man mir plötzlich mit, dass mein Sicherheitsstatus in „B“ umgeändert worden sei und ich nun nach Blundeston in Suffolk verlegt würde. Während der Mittagspause, als alle eingeschlossen waren, wurde ich klammheimlich transferiert, und so hatte ich leider keine Zeit, mich von irgendjemandem zu verabschieden. Der Hausverwalter des D-Gebäudes überbrachte mir die Nachricht und sagte gleich dazu, er hätte sich gegen meine Herabstufung ausgesprochen. Er war überzeugt, dass ich ausbrechen oder zumindest es versuchen würde, denn er hielt mich für einen reuelosen Schurken. Er war ein recht typischer Gefängniswärter, durch und durch bigott, und dazu noch im Unrecht.
Kurz bevor ich Wormwood Scrubs verließ, kam Ian Dunbar an die Rezeption, bat mich in einen Büroraum und sagte: „O’Doherty, ich bin ein ziemlich großes Risiko eingegangen, als ich mich für Ihre
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