The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)
republikanischen Veröffentlichungen, die ich in die Hände bekam, nach Hinweisen zu durchforschen, die mich zur IRA führen konnten. Ich begann, eine Zeitung namens „The United Irishman“ zu kaufen und sah darin einen Aufruf, der Sinn Féin-Partei beizutreten. Man sollte einen Abschnitt mit seinem Namen und seiner Adresse ausfüllen, ausschneiden und an die Republikanische Bewegung in Dublin schicken – und sogleich würden sämtliche Sonderkommandos und Geheimdienste diese Angaben einkassieren, bevor die Republikanische Bewegung sie mit der Post erhielt – nein danke!
Nach Ostern 1970 hatte ich gerade eine kleine republikanische Parade von uniformierten Mitgliedern in Little Diamond, nicht weit von der Clarendon Street entfernt, verpasst. Also beschloss ich die einzige Möglichkeit auszuprobieren, die es in Derry gab. Ich musste zu der in der Zeitung abgedruckten Adresse eines Sinn Féin-Mitgliedes in Creggan gehen und mein Anliegen dort bekannt geben, sobald sich die Möglichkeit dazu bot. Soviel ich wusste, hatte es in Derry keine Spaltung der IRA gegeben. Also konnte es nur eine IRA geben, falls sie überhaupt existierte.
In dem Bewusstsein, dass der Lauf der Geschichte von diesem Abend abhängen würde und dass Patrioten früherer Feldzüge im Geiste bei mir waren – schließlich wollte ich ja genauso heldenhaft patriotisch und berühmt werden wie sie – machte ich mich auf den ziemlich langen, kalten und dunklen Weg nach Creggan hinauf. Ich trug meine männlichste Kleidung und hatte fest vor, mich für sechzehn oder siebzehn auszugeben, obwohl ich erst fünfzehn war.
Als ich an dem unauffälligen Reihenhaus an die Tür klopfte, öffnete mir niemand. Es waren aber offensichtlich Leute im Haus, die fernsahen. Auf mein lauteres Klopfen hin gab es wieder keine Reaktion. Ich klopfte noch lauter, sogar viel zu laut. Ein überraschter Mann öffnete mir die Tür. Bevor er etwas sagen konnte, stotterte ich: „Ich bin wegen Sinn Féin hier.“ Dabei hielt ich eine Ausgabe des „United Irishman“ hoch. „Ich möchte beitreten.“
Der Mann sah kein bisschen wie ein Sinn Féiner aus. Ich wollte gerade hinzufügen, dass ich eigentlich in die IRA eintreten wollte, als er mich mit einer Reihe Fragen, die er mit englischem Akzent stellte, völlig verblüffte. Ich beantwortete sie alle, sagte ihm meine Namen, erklärte ihm, wer mein Vater war und wo ich wohnte, und ich gab mein Alter falsch an, aber ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass er ein britischer Agent sei und fragte mich, was zum Kuckuck denn ein Engländer in der Sinn Féin in Creggan in Derry wollte!
Er ging wieder hinein, und ein jüngerer, stämmiger, entschlossen wirkender Mann mit schwarzem Haar kam zu mir heraus. Er stammte offensichtlich aus Derry und sah aus wie ein Fanatiker. Bei ihm hatte ich ein besseres Gefühl. „Du willst der Sinn Féin beitreten?“ fragte er. Ich antwortete: „Nein, eigentlich will ich zur IRA.“ – „Wer ist dein Vater?“ wollte er wissen, und ich sagte es ihm. „Ich kenne deinen Vater“, meinte er. „Diese Woche treffen sich einige Leute. Komm dort hin und dann sprechen wir über alles.“ Dann sagte er mir, wohin ich kommen sollte – es war in einer Gasse namens Thundering Down, nicht allzu weit von der Clarendon Street entfernt.
Damit war das Gespräch beendet. Mit einem angedeuteten Lächeln schloss er die Tür. Ich begab mich nach Hause, wobei ich zugleich glücklich und unzufrieden war. Immerhin hatte ich endlich einen Schritt in die Richtung meines Lebensziels unternommen, aber was hatte ich eigentlich erreicht? Zu einem Treffen zu gehen und mit einigen Leuten zu reden – das war nicht das, was ich wirklich wollte. Ich hatte gehofft, dass man mein offensichtliches Potenzial erkennen würde, dass man meine Entschlossenheit, mich in den Dienst der Sache zu stellen, feiern würde, dass ich Waffen oder Bomben zu sehen bekommen würde, dass man mich prüfen würde, indem man mir sofort einen lebensgefährlichen, unmöglichen Einsatz übertrug – aber nichts dergleichen war geschehen. Ich war unglücklich, weil ich unzufrieden war.
Ein paar Tage später ging ich abends zu der angegebenen Zeit zu jenem Haus in Thundering Down und wurde sogleich von dem dunkelhaarigen, entschlossen wirkenden Mann hereingelassen. Es ging sofort in ein kleines Zimmer hinein, wo fünf oder sechs andere Jugendliche saßen, die genau wie ich den Wunsch hatten, in die IRA einzutreten. Von diesen war ich bei weitem der
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