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The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

Titel: The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shane O'Doherty
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Jüngste. Ich nahm auf der Armlehne eines Sessels Platz und wartete.
    Ein Mann mittleren Alters, den ich noch nie gesehen hatte, kam herein und blieb in der Tür stehen. Er sagte: „Also gut. Ihr seid alle daran interessiert, Teil einer größeren Sache zu werden. Wir müssen sehen, wie ihr in einer militanten Slua zurechtkommt. (Slua ist das irische Wort für Gruppe oder Einheit.) Allerdings muss ich euch warnen, worauf ihr euch da einlasst. Wenn die Sonderkommandos herausfinden, dass ihr mit dieser Bewegung zu tun habt, werden sie versuchen, euch zu brechen.“
    Er hielt inne, um diese Worte wirken zu lassen. Dann fuhr er fort: „Sie werden versuchen, euch zu isolieren. Sie werden euren Eltern und Freunden sogar erzählen, ihr wärt homosexuell.“ Wieder unterbrach er sich und sah bleich und ein bisschen kränklich aus. Ich war entsetzt, genau wie alle anderen ... Das war ja gar kein ehrenvoller Kampf! Ich wusste, dass ich für Irland kämpfen, für Irland sterben, für Irland ins Gefängnis gehen und für Irland zum Helden werden konnte, aber für Irland mit der Anschuldigung zu leben, ich sei homosexuell– ich glaubte, das würde ich nicht können. Ich war erschrocken, und mir war auch übel – diese Sonderkommandos schreckten ja vor nichts zurück ...!
    Das Zimmer erschien auf einmal bedrohlich, und unser patriotischer Geist hatte sich spurlos verflüchtigt. Er fuhr fort: „Jetzt wisst ihr, worauf ihr euch einlasst, und der SK-Bastard, vor dem ihr euch hüten müsst, heißt Donnelly.“ Er sprach voller Ingrimm wie jemand, dessen Familie und Freunde bereits von der Polizei erfahren hatten, dass er ein Homosexueller war und gar kein Patriot oder Held. Dann beschrieb er uns das Auto des SK-Mannes, gab uns die Autonummer und sagte uns, wo er wohnte. Er sagte, wir dürften im Verhör kein Wort sagen. Insgeheim fragte ich mich, wieso er so sicher war, dass wir der Polizei schon so bald bekannt sein würden. Schließlich sollten wir doch verdeckt agieren, aber ich wollte diesem gequälten Mann nicht mit meiner Frage auf die Nerven gehen.
    „Gut, also dann müsst ihr jetzt Geld für eure Slua aufbringen, damit eure Einsätze finanziert werden können. Ihr bringt das Geld herein, und wir besorgen euch die Waffen. Zum Beispiel werden wir euch einen Stift besorgen, der Gas verströmt.“
    Ich glaubte zwar nicht, dass ich jemals so nahe an den bewaffneten Feind herankommen würde, dass ich einen Stift hervorziehen, auf den Knopf drücken und ihn mit Gas kampfunfähig machen könnte. Doch immerhin war es ein Anfang, und ich verstand ja noch nicht viel von diesen Dingen. Es hörte sich verschwörerisch an und konnte ja noch besser werden. Der Mann schlug uns vor, ein paar Geschäfte zu überfallen, indem wir mit dem ausgestreckten Finger in unserer Jackentasche eine Waffe vortäuschten, und dann wies er darauf hin, dass Bewaffnung immer von Finanzierung abhänge. Es war nicht das, was ich erwartet hatte oder hören wollte, aber immerhin war es ein Anfang. Er erklärte die Sitzung für beendet und sagte, wir sollten uns eine Woche später zur selben Zeit am selben Ort wieder einfinden. Außerdem riet er uns, das Haus paarweise mit jeweils einigen Minuten Abstand zu verlassen und uns mit unserem Partner bekannt zu machen.
    Als ich aufstand, dachte ich, dass das ja eigentlich nicht ganz so begann, wie meine heiligen Geschichtsbücher mich glauben machten. Ich blickte einen großen, pickeligen Kerl an, der mich seinerseits mit ähnlichen Gefühlen ansah. Wir gingen zusammen hinaus und die Straße entlang.
    „Wie fandest du es?“ fragte er mich.
    „Ich hatte etwas anderes erwartet“, antwortete ich. „Finger statt Waffen! Furzende Stifte! Die IRA wurde nicht einmal erwähnt.“
    „Ich hatte auch etwas anderes erwartet, so ein Scheißkerl! Den Finger in der Jackentasche ausstrecken! Dem Kerl in den Arsch ’rein! Man könnte besser mit einer angezündeten Flaschenbombe in einen Laden gehen! Homosexuelle, so ein Scheiß!“ Er war so aufgebracht, dass ich das Gefühl hatte, meine Reaktion sei zu schwach. Er stellte sich als Jim vor, und ich sagte ihm meinen Namen.
    „Heißt du wirklich so?“ fragte er. Ich sagte: „Natürlich.“ Daraufhin lachte er und sagte: „Na, du fängst ja mit dem richtigen Namen für einen bewaffneten Kerl an, auch wenn du nur den Finger in der Jacke vorstrecken musst!“ [3] Jahrelang dachten die meisten Leute, „Shane“ sei ein Spitzname. Er kannte noch einen der anderen, die in dem

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