The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)
Meine gesamte Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft strebten auf diesen Zeitpunkt zu, alles lehnte sich vorwärts in diese Richtung, und ich betete zu Gott: „Falls ich sterben muss, lass’ mich nur noch lange genug leben, dass ich der IRA beitreten kann – lass’ mich ihr beitreten, und tu’ danach mit mir, was immer Dein Wille ist.“ Ich wünschte, die Zeit würde sich beschleunigen bis zu dem Augenblick meines tatsächlichen Beitretens, damit nicht womöglich noch etwas geschah, was mich daran hindern würde.
Mit dem Gefühl, dass diesmal die seligen Geister der großen Patrioten Irlands über mir schwebten, traf ich mich am nächsten Abend mit den beiden anderen, und wir machten uns auf den Weg zu einem Haus in der Waterloo Street, wo zwei Männer uns erwarteten. Auf mich wirkten sie sofort echt – sie hatten eine starke Ausstrahlung. Falls sie vorhatten, uns zum Eintreten in die IRA zu ermutigen, war ihnen nichts davon anzumerken. Ich erlebte diesen Abend so intensiv, dass ich mich an fast jedes Wort erinnere, das zu uns gesagt wurde.
„Falls ihr irgendwelche Zweifel daran habt, dass ihr in die Provisional Irish Republican Army eintreten wollt, dann lasst es bleiben. Wir versprechen euch keinen Sonntagsausflug. Falls ihr wirklich eintretet, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ihr innerhalb kurzer Zeit ins Gefängnis gesteckt oder getötet werdet. Ihr müsst wissen, worauf ihr euch einlasst. Zweifel sind völlig in Ordnung, und ihr könnt jetzt auch wieder gehen, ohne dass es irgendwelche Folgen hat. Uns wäre es am liebsten, wenn ihr ganz ehrlich wärt und eure Zweifel oder Befürchtungen aussprecht. Die Sache ist äußerst ernst. Manche werden für sehr lange Zeit ins Gefängnis kommen. Manche werden getötet werden. Es gibt absolut keine materielle Belohnung, weder jetzt noch in Zukunft. Es geht um einen bewaffneten Freiheitskampf gegen den ältesten Gegner der Freiheit Irlands, der noch nie einer Kolonie freiwillig ihre Freiheit gewährt hat. Wir sind entschlossen, dafür zu kämpfen, und es wird nicht leicht werden. Falls ihr also irgendwelche Zweifel habt, könnt ihr jetzt gehen. Ihr müsst euch klarmachen, dass ihr unausweichlich in Konflikt mit euren Familien, Freundinnen und Kumpels geraten werdet. Das ist kein Pappenstiel. Wir werden jetzt den Raum für fünf Minuten verlassen und jeder von euch kann ohne irgendwelche Konsequenzen einfach wieder gehen.“ Und damit zogen sie sich zurück.
Ich war wild begeistert – die ganze Sache war offensichtlich echt! Paul sah mich an und war genauso aufgeregt wie ich. „Na, jetzt willst du doch sicher gehen?“ – „Ja klar, nach dir!“ witzelte ich. Wir blieben erwartungsvoll sitzen.
Die beiden Männer kamen mit genauso ernster Miene wie zuvor wieder herein. Zwei von uns sollten in die Küche gehen und warten. Paul und sein Bekannter gingen dorthin, und ich blieb allein zurück.
„Wir werden dir jetzt den Treueeid abnehmen. Wenn es außer uns keine Zeugen gibt, dann wird es später vor Gericht auch nie möglich sein, dass einer aussagt, er hätte gesehen oder gehört, wie du den Eid schwörst, und ohne Nachweis wird es schwer möglich sein, dich wegen Mitgliedschaft in der IRA zu belangen.“
Die Bedeutsamkeit des Augenblicks und die Ernsthaftigkeit, die diese Männer ihm beimaßen, ließen mein Herz schneller schlagen. Ich konnte kaum glauben, dass ich im Begriff war, Teil der Irisch-Republikanischen Armee, Teil der heldenhaften Geschichte Irlands und vor allem Teil der Verteidigung meines Volkes gegen die britische Armee und gegen die Royal Ulster Constabulary mit ihren randalierenden Anhängern zu werden. Ich war dabei, in die Mitte des Aufstands zu gelangen, den ich in Nordirland erwartete. Gott, lass’ mich zum Beteiligten werden, lass’ es nicht ohne mich geschehen, selbst wenn ich nur Botengänge machen dürfte, aber lass’ mich dabei sein! Ich würde auch zum Märtyrer und Helden für mein Volk werden können, wenn ich im Kampf getötet würde, und ich würde unter den verbleibenden Getreuen der heiligen republikanischen Sache Unsterblichkeit erlangen.
„Heb’ deine rechte Hand hoch und sprich mir nach: Ich, Shane Paul O’Doherty, schwöre, dass ich danach streben werde, die Errichtung einer gesamt-irischen Republik herbeizuführen, wie das Kommando des Rates der Provisional Army es vorsieht, und dass ich allen Befehlen meiner übergeordneten Offiziere Folge leisten werde, so wahr mir Gott helfe.“
Während ich diese Worte
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