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The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

Titel: The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shane O'Doherty
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pochende, überwältigende Migräneanfälle, die durch das Einatmen der schweren, marzipanähnlichen Ausdünstungen des Sprenggels ausgelöst werden. An manchen Tagen war ich auf dem Rückweg von meiner Bombenwerkstatt zu meinem Wohnunterschlupf von der Heftigkeit der Sprenggel-Kopfschmerzen fast blind und leichenblass dazu. Die Nitroglyzerin-Migräne dauerte stundenlang an.
    Bei einer Gelegenheit beschwerte sich jemand bei mir über die großen Bomben, die in der Stadtmitte immer direkt neben seiner Arbeitsstelle deponiert wurden. Es störte ihn sehr, dass manche der IRA-Männer die Lieferfahrzeuge verlassen hatten und dann in sein Geschäft gekommen waren, um den Eindruck zu erwecken, sie wären ganz normal beruflich da. Dadurch wollten sie jeden Verdacht von dem Umstand ablenken, dass sie die Fahrzeuge stehen ließen. Sie hatten ihm von den Bomben erzählt und sein Geschäft dann wieder verlassen, um ins Ghetto zurückzukehren. Währenddessen musste er im Geschäft bleiben, bis die IRA offizielle telefonische Bombenwarnungen gab. Es war zuviel für seine Nerven, dass Menschen kamen und gingen, ohne etwas von der unmittelbaren Nähe dieser dicken Bomben zu ahnen. Ich machte irgendeine kritische Bemerkung über seinen Mangel an Mut, woraufhin er sich verärgert fortbegab und sehr lange kein Wort mehr mit mir sprach. Es liegt eine gewisse Ironie darin, dass ich nach all diesen Jahren aufgehört habe, taktische Gewaltanwendung zu unterstützen, während er auf der Seite der IRA geblieben ist, weil sein Sohn darin sehr aktiv ist.
    Während dieser Zeit erfuhr ich, dass mein Vater erkrankt und ins Hospital eingeliefert worden war. Eines Abends stahl ich mich daher sehr vorsichtig nach Hause und sprach mit meiner Mutter und meiner Schwester. Später begab ich mich auch zum Krankenhaus, um meinen Vater zu besuchen, dessen Leben offensichtlich zu Ende ging. Er erkannte mich und gab erneut seiner Hoffnung Ausdruck, dass ich in Sicherheit sein möge. Am 17. Mai starb er im Alter von fünfundsechzig Jahren, einen Monat bevor er als Direktor der Brow of the Hill-Schule pensioniert worden wäre. Ich konnte ohne irgendwelche Schwierigkeiten an seinem Begräbnis teilnehmen.
    Einige Zeit zuvor hatte ich zusammen mit den älteren, erfahreneren Sprengstoffspezialisten eine grob konstruierte Briefbombe gebastelt, die an Polizisten und andere verschickt wurde. Keines von diesen Erstversuchsmodellen funktionierte, aber sie erregten ziemliche Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Innerhalb weniger Tage hatten wir eine funkgezündete Briefbombe ganz simpler Bauart entwickelt.
     
    Eine Woche nach der Beerdigung meines Vaters war ich in Creggan in einer Küche dabei, jemandem zu zeigen, wie man eine Briefbombe anfertigt. Ich hatte sie gerade in einen Umschlag getan und ihn zugeklebt, und drückte noch einmal leicht darauf. Noch während ich auf den Umschlag sah, erhob sich von ihm ein Regenbogen und schoss an meinem Kopf vorbei, gefolgt von einem blauen Licht und einem ungeheuren „BÄNG!“ Ich wurde über den Stuhl gewirbelt und erhob mich mit einem geblendeten Auge und starkem Schmerz in der rechten Hand. Aus verschiedenen kleinen Wunden rund um das Gesicht und die Augen herum tropfte mir das Blut. Alles, was ich sah, erschien rot durch das Blut in dem unverletzten Auge. Der andere, der noch dabei war, war unverletzt, aber schockiert vom Anblick meiner Wunden, die allerdings schlimmer aussahen, als sie wirklich waren. Er rannte hinaus und bemächtigte sich eines Lieferwagens. Dann holte er mich heraus und brachte mich zu einer Adresse, die ich ihm angab. Ich wusste, dass ich dort medizinisch behandelt werden konnte.
    Ein Auge war so ernstlich verletzt, dass ich überhaupt nichts damit sehen konnte. Außerdem hatte die Sprengwucht einen Finger übel zugerichtet, und man sagte mir, ich würde ihn möglicherweise verlieren. Der ihm am nächsten gelegene Teil der Hand war ebenfalls schwer verwundet. In meiner Gesichtshaut, in der Brust und in den Augenlidern steckten viele kleine Metallstückchen. Mit dem möglichen Verlust des Fingers wollte ich mich aber absolut nicht abfinden. Ich bekam eine Pethidinspritze und hatte wenig später kein Schmerzempfinden mehr. Allerdings musste ich innerlich irgendwie damit fertigwerden, dass ich womöglich auf dem rechten Auge nie mehr sehen würde. Wie schon oft zuvor war ich jedoch höchst erleichtert und dankbar, dass ich überhaupt am Leben geblieben war, wenn ich an meine Freunde und an all die

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