Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

Titel: The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shane O'Doherty
Vom Netzwerk:
bevor ich schließlich unvermeidlich gefasst oder getötet werden würde.
    Ich suchte eine Wohnungsvermittlung auf und fand eine kleine Wohnung mit eigener Haustür in Westlondon, wo ich sofort einzog. Aus Gründen der Sicherheit war die eigene Haustür ein wichtiger Faktor, denn niemand im Haus konnte meine Besucher kommen und gehen sehen. Falls jemand fragte, war ich ein gutsituierter Student aus Irland, der an der Londoner Universität studierte. Und so war ich also ausgezeichnet untergekommen. Nun ging ich die handelsüblichen elektronischen Teile besorgen, die ich für die Briefbomben benötigte, und machte mich dann daran, so viele wie möglich anzufertigen, bevor meine Nerven überstrapaziert waren. Mein Unfall mit der letzten Explosion hatte mich zwar nicht davon abgeschreckt, Briefbomben zu basteln, aber er hatte die Zeit, die ich damit zuzubringen bereit war, verkürzt. Ich brauchte jetzt regelmäßige Pausen, um meine Entschlossenheit aufrechtzuerhalten.
    Man hatte mich mündlich instruiert, wer meine Zielpersonen waren: Regierende Minister, Spitzenmilitärs, Leiter hochrangiger Institutionen und so weiter. Es ging vor allem darum, mit so viel Getöse wie nur möglich öffentliches Aufsehen zu erregen. Ein paar Briefbomben-Serien und ein paar kleinere Bomben mit Zeitzünder sollten größtmögliches Interesse in der Weltöffentlichkeit bewirken und Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, dass Großbritannien viele Leichen in seinem irischen Keller hatte, die noch kein angemessenes Begräbnis bekommen hatten.
    Natürlich hatte ich auch meine eigene Liste im Kopf. Darauf stand an oberster Stelle ein ganz bestimmtes Regierungsmitglied, nämlich der konservative frühere Innenminister Reginald Maudling, der zum Zeitpunkt des Bloody Sunday für die Sicherheit und die Armee zuständig war. Er war der Einzige, der als Individuum eine Zielperson war. (Direkt nach dem Bloody-Sunday-Massaker hatte Bernadette Devlin als Parlamentsmitglied ihn in einer Parlamentssitzung angegriffen und ihm das Gesicht zerkratzt.) Die meisten anderen Zielpersonen waren nicht persönlich, sondern wegen des Amtes, das sie bekleideten, auf meiner Liste.
    Eine meiner Briefbomben wollte ich so weit wie möglich in Maudlings direkte Nähe bringen, wobei es mir egal war, ob sie detonierte oder nicht. Ich wollte einfach nur, dass er sie bekam, als meinen persönlichen Protest gegen das Bloody-Sunday-Massaker, das ich hatte miterleben müssen. Ich wollte ihm zu verstehen geben, dass der Bloody Sunday nicht einfach in der Vergangenheit begraben lag. Deshalb beschloss ich, sie nicht an sein Büro im Parlament, seine Stadtwohnung oder seinen Club zu schicken, sondern an sein Haus auf dem Land, wo er nicht damit rechnen würde. Eine weitere wollte ich an die Adresse Downing Street Nummer 10, den offiziellen Wohnsitz des Premierministers, schicken, wobei ich allerdings nicht glaubte, dass sie dort wirklich hineingelangen würde. Ferner befand ich, dass der für London zuständige Befehlshaber der Armee, der zufälligerweise kürzlich für die Sicherheitsmaßnahmen bei einer königlichen Hochzeit verantwortlich gewesen war, ebenfalls eine Briefbombe bekommen sollte. Als ich seinen Namen ausfindig machte, stellte sich heraus, dass er Michael O’Cock hieß, was mir als typisch irischer Name auffiel.
    Zu den weiteren Zielpersonen gehörten der Wirtschaftsspionage-Leiter der Bank von England, ein ebenso prominentes Mitglied der Arbeitsbehörde und ein Senior-Kaplan der Armee, der öffentlich gesagt haben sollte, dass die britische Armee am Bloody Sunday nichts Unrechtes getan hatte (dies war eine falsche Pressedarstellung, die in Irland, wo seine Worte bei vielen Leuten großen Unmut hervorgerufen hatte, nicht berichtigt worden war.)
    Nachdem ich die Wirkung einer Briefbombe am eigenen Leib erlebt hatte, glaubte ich nicht, dass Briefbomben tödliche Verletzungen verursachen würden, und in der Tat kam auch nie jemand dadurch zu Tode. Allerdings gestand ich mir ein, dass eine verschwindend geringe Wahrscheinlichkeit von tödlichen Verletzungen nicht mit äußerster Sicherheit auszuschließen war. Ich ging davon aus, dass die Leute nach der ersten Serie von Briefbomben Vorsicht walten lassen würden. Die nächsten Briefbomben würden dann sicher entdeckt und unschädlich gemacht, aber die Öffentlichkeitswirkung würde weiter anhalten.
    In der Stadtbibliothek durchblätterte ich das Buch „Who’s Who“ (Wer ist wer) und diverse Jahrbücher, unter

Weitere Kostenlose Bücher