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The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)

Titel: The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shane O'Doherty
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kaum noch zumutbar war. Ich fügte auch gleich hinzu, dass ich außer meinem wöchentlichen Kinobesuch auch keinerlei Geselligkeit in meinem Leben hatte.
    Schuldbewusst lud mich der Kurier zum Essen ein, und ich schlug das pakistanische Restaurant vor. Dort angekommen setzen wir uns an einen Tisch, und schon wirbelte der junge Kellner, der meinen Begleiter beeindrucken wollte, mit seiner weißen Weste und Kellnerfliege herbei und hielt eine Flasche Sauterne hoch mit den Worten: „Ihr üblicher Wein, mein Herr?“ Der Kurier riss erstaunt die Augen auf, während ich mich bemühte, ihm alles zu erklären. Später hörte ich in Irland, wo immer ich auch hinkam, in meinen Bekanntenkreisen den Spruch, „Ihr üblicher Wein, mein Herr?“
    Wenn ich von 1973 an zurückblicke, muss ich sagen, dass die Briefbomben erstaunlich erfolgreich waren – eine schaffte es sogar bis in Downing Street 10, den Wohn- und Amtssitz des Premierministers, hinein. Allerdings explodierte sie nicht und lag vierundzwanzig Stunden lang in einem Papierkorb herum, bis einer Sekretärin auffiel, worum es sich bei diesem Brief handelte. Eine weitere verletzte den Brigadier Michael O’Cock. Am wichtigsten war mir, dass die für den Innenminister Reginald Maudling, der für den Bloody Sunday verantwortlich war, in seinem Landwohnsitz hochging. Auch die Aktienbörse, die Bank von England und die britische Botschaft mussten Bombenexplosionen hinnehmen. Bei den drei letzteren traf es allerdings Personen, die gar nicht gemeint waren, nämlich Sekretärinnen und einen Sicherheitsmann. Solche Leute wollte ich überhaupt nicht verletzen, und ich bedauerte es sehr, dass meine Briefe trotz gut sichtbarer Vermerke wie „Privat und streng vertraulich“ bis zu offiziellen Stempeln und Regierungs-Briefumschlägen dennoch von den falschen Personen geöffnet wurden. Auch ein Bombenspezialist der Polizei wurde beim Versuch, eine Briefbombe zu entschärfen, verletzt. In Einzelfällen traf es auch Postangestellte beim Sortieren von Briefen, woraufhin es zu Protestaktionen kam. Diese unglückseligen Einzelfälle bereiteten mir keinerlei Befriedigung. Ich sah darin mein Versagen, die Briefbomben an die richtigen Adressaten zu bringen, und natürlich fragte ich mich langsam, ob sie für Unbeteiligte, die zufällig beruflich bedingt damit hantieren mussten, nicht doch zu gefährlich waren.
    London war von meiner Ein-Mann-Aktion schon wirklich in große Unruhe versetzt worden. Geschäfts- und Regierungspost kam nur noch mit unglaublicher Verspätung an, an den U-Bahn-Eingängen hingen riesige Plakate, die alle Pendler vor verdächtiger Post warnten, und von Hinz und Kunz gingen zahllose falsche Bombenwarnungen ein. Bei der IRA war man hocherfreut darüber, dass die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit und die totale Verunsicherung Londons mit wenigen Pfund Sprengstoff, weniger als tausend Pfund Bargeld, durch einen einzigen Aktivisten und ohne eine einzige Verhaftung erreicht worden waren.
    Als ich wieder in Dublin war, sollte ich in einem sicheren Unterschlupf auf den IRA-Personalchef warten, der mich kurz zu sehen wünschte. Ich wartete den ganzen Abend lang, bis die dort wohnende Familie schließlich glaubte, ich hätte mit der Behauptung, der Personalchef wolle mich sehen, meine eigene Wichtigkeit übertrieben dargestellt. Schließlich kam er doch noch, aber wie es sich für sein Leben in ständiger Bewegung gehörte, hielt er sich nicht einmal eine Minute im Hausflur auf. Mit den Worten: „Tolle Aktion, gut gemacht!“ schüttelte er mir herzlich die Hand, und dann wurde er auch sogleich schon wieder wer weiß wohin gefahren. Ich war zutiefst befriedigt darüber, dass er meinen risikoreichen Einsatz und dessen Schlagkraft zu würdigen wusste.
    Nachdem der Verantwortliche, für den ich meine Londoner Aktivitäten ausgeführt hatte, in Irland festgenommen wurde, kehrte ich zurück, um meinen nächsten Kontaktmann kennenzulernen. Dieser war nur übergangsweise zugewiesen worden, und ich mochte ihn nicht, weil er noch nie aktive Einsätze gemacht hatte und nichts davon verstand. Aktive nehmen nur ungern Anweisungen von Wohnzimmerstrategen entgegen; da war auch ich keine Ausnahme. Seine laxe Einstellung zu Aktionen, bei denen Londoner Zivilisten gefährdet werden könnten, gefiel mir überhaupt nicht. Ich gab ihm gleich zu verstehen, dass ich bei der Derry-Brigade ausgebildet worden war und meine Überzeugung, dass man Risiken so gering wie möglich halten müsse,

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