The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)
Nordirland gezündet hatte, zusammengenommen nicht ein Prozent der Aufmerksamkeit meiner läppisch kleinen Briefbomben erreicht hatten. Es wurde mir so übel bei dem Gedanken, dass ich hinausgehen musste. Zwei Stunden lang sah ich in Hampstead Heath den ferngesteuerten Modellbooten und Miniaturyachten auf dem Teich zu. Dabei dachte ich an Eamonn Lafferty, den die britische Armee in einem Scharmützel, in dem ich an seiner Seite hätte sein sollen, erschossen hatte, und ich fragte mich, was sein Opfertod wohl bewirkt hätte, wenn er sich in einem Einsatz mitten in der Londoner Innenstadt ereignet hätte! Zumindest hätte die Welt davon erfahren, während sein Tod in Derry wahrscheinlich in der Presse nur eine zweizeilige Erwähnung gebracht hatte.
Briefbomben hatten eine kurze Lebensdauer, da die Leute nach den Warnungen der Medien natürlich sehr auf der Hut waren. Deshalb beschloss ich, noch bevor dies einträte, schnell eine zweite Serie fertigzustellen, wobei ich immer nervöser wurde, da ich ja mit Sprengmitteln arbeitete, die mich erst wenige Wochen zuvor so schlimm verletzt hatten. Als ich mir die Sprengmittel und die elektronischen Zünder gerade auf dem Tisch zurecht gelegt hatte, klingelte es an der Tür. Ich ging davon aus, dass es ein IRA-Bote sei. Als ich öffnete, stand da jedoch ein junger, gutgelaunter Polizist. Mir fiel prompt das Herz in die Hose, und ich konnte vor Schreck kaum atmen.
„Hallo!“ sagte er. “Ich wollte nur wissen, ob jemand mit diesem Namen hier wohnt.” Dabei hielt er eine Vorladung hoch, auf der ein langer unverständlicher Name stand, der mir wie Suaheli vorkam.
„Nein, ich bin ein neuer Mieter, bin gerade erst hier eingezogen, “ antwortete ich.
„Ach, dann tut’s mir leid, dass ich Sie belästigt habe. Schönen Abend noch!“
Damit ging er auch schon, und ich taumelte ins Haus zurück und wartete darauf, dass mein Herz zu rasen aufhörte. Ich dankte dem Schicksal, dass ich nicht bewaffnet gewesen war, denn ich hätte ja in Panik womöglich geschossen.
Mein Vorrat an Sprengmitteln war nicht unbegrenzt, so dass ich beschloss, in der Innenstadt nur sehr kleine Sprengsätze zu deponieren, die eher Störung und Aufmerksamkeit als sonst etwas bewirken sollten. Ich hatte ja gesehen, welch völlig überzogene Reaktion die Briefbomben in den Medien hervorgerufen hatten. Da würden kleine Zeitbomben von der Größe einer Zigarettenschachtel mit einer einfachen Armbanduhr-Zündung sicher genauso viel Aufsehen erregen. Von diesen baute ich ein paar zusammen und deponierte sie in Mayfair und anderen Teilen der Innenstadt an den Benzintanks von geparkten Autos. Natürlich hieß es dann prompt in den ersten Berichten, die den Ton für alle nachfolgenden vorgaben, in Mayfair seien Autobomben hochgegangen. Einmal brachte ich zwei solche Zigarettenpäckchen in den Kinos am Leicester Square unter, um das Nachtleben der Touristen zu stören, und es gab dieselbe hysterische Reaktion in den Nachrichten. Ein paar weitere platzierte ich in Chelsea bei den Adressen von Leuten, die für den britischen Geheimdienst, das Militär oder in der Politik tätig waren.
An einem anderen Abend fand ich an meiner Haustür, die man durch einen kleinen, verwilderten Garten erreichte, ein Paket angelehnt und nahm es mit hinein. Es enthielt etwa zehn Pfund Sprenggel in kleinen Päckchen, was mir die Möglichkeit gab, auch etwas größere Bomben zusammenzubauen. Aus Gründen besserer Tarnung bekam ich zudem Besuch von einem Mädchen. Zusammen beschlossen wir, in einer Boutique in einem Untergeschoss in der Oxford Street eine Bombe zu legen. Zuerst musste ich den Ort genau auskundschaften, damit später keine Fehler passierten. Es mussten Münzfernsprecher in der Nähe vorhanden sein, damit ich der Polizei eine telefonische Warnung übermitteln konnte, so dass sie vor der Explosion die Umgebung räumen konnte.
An dem betreffenden Tag lief ich mit dem Mädchen die gesamte Länge der geschäftigen Oxford Street ab. Die Bombe trug ich dabei in einer Einkaufstasche, und ich hatte alles so eingerichtet, dass ich die Hand hineinstecken, den Zünder auf eine Stunde Vorlaufzeit stellen und die beiden Drähte miteinander verbinden konnte, die die Bombe scharf machten. Wir überquerten die belebte Straße und hielten auf einer Verkehrsinsel an. Dort bückte ich mich, steckte die Hand in die Tasche, stellte die Zünduhr ein und verdrehte die beiden Drähte miteinander. Nun war die Bombe explosionsbereit. Ich war
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