The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)
zuzusehen. Buck zog einen imaginären Hut in Richtung der Koreaner und schloss zu Marty auf.
»Über was zum Teufel regst du dich denn so auf?«
»Darüber, dass du da hinten fast eine Schießerei angezettelt hättest«, antwortete Marty. »Und wenn es einen der Koreaner erwischt hätte, hätten die auch angefangen zu schießen, und alles hätte in einem Blutbad geendet.«
»Schwachsinn«, Buck lächelte und zeigte anklagend mit dem Finger auf Marty. »Du hattest Angst um mich.«
»Ich hatte Angst, getötet zu werden und es nicht nach Hause zu meiner Frau zu schaffen.«
»Siehst du? Es passiert schon. Du fieberst mit mir mit. Ich hab dir doch gesagt, ich bin eine verdammt gute Serienfigur«, Buck klopfte Marty auf die Schulter. »Ich wäre sogar bereit, über einen Schwarzen als Kollegen nachzudenken, solange es nicht Arsenio Hall ist.«
Jahre später würde Marty genau diese Anekdote auf Partys oder Veranstaltungen des Senders zum Besten geben. Wie er mitten im größten Erdbebenchaos, auf seinem Weg nach Hause durch die Ruinen von L. A., von einem verrückten Kopfgeldjäger verfolgt wurde, der versuchte, ihm eine Serie zu verkaufen.
War es bei dem Riesenauftritt bei der Bank nur darum gegangen? Alles Teil der Verkaufsstrategie? Ob das wirklich so war oder auch nicht, sobald Marty die Geschichte erzählte, war alles Teil des Plans.
Doch die Geschichte würde bald ein Ende finden. Es war kurz nach sechs. Noch eine Meile oder zwei, dann würden sie Hollywood erreichen. Buck würde nach Hause gehen und für immer aus seinem Leben verschwinden, und Marty würde weiter über den Cahuenga-Pass marschieren und bei Einbruch der Dunkelheit im San Fernando Valley ankommen. Der Rest der Strecke bestand dann nur noch aus dem Ventura Boulevard, der Zielgeraden nach Calabasas.
Hübsch und einfach. Vielleicht hatte sogar ein Starbucks geöffnet. So viele wie es davon im Tal gab, war es statistisch gesehen eigentlich gar nicht möglich, dass das Große Beben sie alle plattgemacht hatte.
Dieser erfreuliche Gedanke beherrschte Marty für die nächste halbe Stunde, während sie über Trümmer kletterten und sich ihren Weg bahnten, vorbei an den Verletzten, den Verirrten und den Hoffnungslosen.
Marty versuchte sich vorzustellen, wie Beth aussehen würde, wie glücklich sie wäre, ihn zu sehen. In seiner Vorstellung hatte sie keinen einzigen Kratzer, sie sah genau so aus, wie er sie morgens in der Küche verlassen hatte. Nur die Gefühlskälte wäre verflogen, denn er wusste, wenn er in der Lage war, quer durch die verwüstete Stadt zu Fuß zu ihr zu gelangen, dann wäre es dagegen ein Kinderspiel, die Distanz in ihrer Ehe zu verringern.
Doch um das zu bewerkstelligen, würde er fast zwei Jahre zurückgehen müssen. Sie lebten damals nicht in dem Haus in Calabasas; sie wohnten noch in dem Haus im Ranch-Stil in Reseda. Sie waren »nördlich des Boulevards«, der Demarkationslinie quer durchs Tal, die diejenigen, die »es geschafft hatten« und in der hügeligen Gegend über dem Ventura Boulevard lebten, von denen trennte, die immer noch versuchten, »es zu schaffen«, und im Flachland unterhalb davon wohnten.
Marty war in seinem Arbeitszimmer und hing auf Seite 138 seines zweiten unvollendeten Romans fest. Kurz nachdem er seinen Job beim Sender ergattert hatte, verbannte er seine unfertigen Drehbücher in die Schublade; das vernunftsmäßige Eingeständnis seiner Unfähigkeit, ein Drehbuch zum Abschluss zu bringen, war der Preis, den er dafür zahlen musste, dass er einfach zu gut war in seinem Job. Er verbrachte seine Tage damit, die Drehbücher anderer Leute zu entwickeln und einen Entwurf nach dem anderen mit Anmerkungen zu versehen, bis die Autoren die Geschichte und die Figuren zumindest so gut hinbekamen, wie es ihre begrenzten Fähigkeiten erlaubten. Das Problem war, wenn Marty sich hinsetzte, um des Nachts selbst zu schreiben, konnte er einfach nicht aufhören, ein leitender Angestellter bei einem Fernsehsender zu sein. Er konnte keine Zeile schreiben, ohne sich selbst Anmerkungen zu liefern, noch ehe er zu Ende getippt hatte.
Also stieg Marty auf Romane um, im festen Glauben, dass ihn das in kreativer Hinsicht befreien und er endlich der einfallsreiche, empathische und produktive Autor werden würde, der er überzeugt war zu sein.
Oder sein könnte … wenn er doch nur über Seite 138 hinauskäme.
Es ging nicht so sehr darum, dass die Geschichten ins Nichts führten – was sie zweifellos taten –, sondern dass
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