The Walking Dead 3: Roman (German Edition)
Männer kommen neben Alice zum Stehen und wirbeln noch mehr Staub auf. Ihr schweres, nervöses Atmen durchschneidet die Stille – genauso wie das Pochen ihrer Herzen in ihren Ohren –, als sie sich ebenfalls umsehen und die Blicke die dunkle Straße hinunterwandern lassen, die sich vor ihnen auftut. Sie führt aus der Stadt in die Dunkelheit der Nacht.
Sie hören, wie Martinez zu ihnen herunterkommt. Der große Mann landet mit einem dumpfen Schlag neben ihnen, und die Waffen auf seinem Rücken stoßen unsanft gegeneinander. Dann richtet er den Blick auf und schaut zum Verteidigungswall hoch. »Okay, Rick … dann mal los.«
Rick steht noch immer auf der Barrikade und hält sich den Stumpen. »Das wird gar nicht so einfach«, murmelt er. »Ich hoffe, Sie können mich auffangen, falls ich ausrutschen sollte …«
»Machen Sie sich keine Sorgen«, versichert Martinez ihm und streckt die Arme nach ihm aus. »Lassen Sie sich vorsichtig herab.«
Rick tut, wie ihm geheißen, stellt sich aber recht unbeholfen an.
»Um Gottes willen«, entfährt es Alice, die zuschaut. »Du darfst ihn nicht fallen lassen, Martinez. Sei bloß vorsichtig!«
Martinez fängt den 90-Kilo-Mann und grunzt, ehe er ihn sanft auf dem Boden absetzt. Rick atmet schmerzerfüllt aus und blickt sich dann um.
Dr. Stevens steht auf der anderen Seite der Straße im Schatten eines verlassenen Ladens, vor dem ein Schild an einer Kette hängt – Mc CALLUM FEED AND SEED . Er seufzt erleichtert auf und untersucht seine Tasche, dass er auch ja nichts von seinen Vorräten verloren hat. Die Glasfläschchen mit Antibiotikum und Schmerzmittel sind unversehrt, die Instrumente ebenfalls. »Ich kann es kaum glauben, dass die Flucht so einfach war«, murmelt er und versichert sich, dass auch die letzten paar Sachen in seiner Tasche intakt sind. »Ich meine, der Verteidigungswall ist nicht unbedingt dazu da, Leute drinnen zu halten … aber …«
Hinter dem Arzt bewegt sich ein Schatten aus dem baufälligen Eingang zu McCallums. Niemand nimmt ihn wahr. Auch hört keiner der Truppe das unbeholfene Schlurfen über Müll und Verpackungsmaterial, das sich beharrlich nähert.
»Ich bin so erleichtert, ich kann es kaum fassen«, sagt Dr. Stevens und schließt seine Tasche.
Plötzlich ist die Gestalt da – nichts als Zähne, zerfetzte Kleidung und bleifarbene Haut in der allumfassenden Dunkelheit – und bohrt den Unterkiefer in das menschliche Fleisch, das sich ihr anbietet.
Manchmal merkt das Opfer gar nicht, was auf es zukommt, bis es zu spät ist. Und vielleicht ist das, auf einer ganz elementaren Ebene, das gnadenvollste Ende, das man sich erhoffen kann.
Die Kreatur, die jetzt an Dr. Stevens’ Nacken kaut, ist gigantisch – wahrscheinlich ein ehemaliger Erntehelfer oder Lagerverwalter, der es gewohnt war, tagein, tagaus 30-Kilo-Säcke Dünger oder Viehfutter auf- beziehungsweise abzuladen. Sie hat sich so sehr in Dr. Stevens’ Hauptschlagader festgebissen, dass man sie selbst mit einem Ziegenfuß nicht hätte von ihm lösen können. Gekleidet in einen schimmeligen Overall, hat sie eine Stirnglatze, gekrönt von dünnen Strähnen und Augen wie gelbe Signallampen. Der gigantische Beißer gibt einen wässrigen, zufriedenen Laut von sich, als er wiederholt seine verfaulten Zähne tief in das lebendige Fleisch versenkt.
Dr. Stevens erstarrt. Er hebt die Arme. Seine Brille fliegt in hohem Bogen davon, die Tasche gleitet ihm aus den Händen, und es entfährt ihm ein entsetzlicher Schrei, als der Schock ihn ergreift. Er kann den Urheber seines Untergangs weder sehen noch zu greifen kriegen – aber seine Kumpane müssen mit anschauen, wie seine Augen vor lauter Wut und Entsetzen rot zu leuchten beginnen.
Die Plötzlichkeit der Attacke überrascht jeden, und der gesamten Gruppe stellen sich verständlicherweise sämtliche Nackenhaare auf. Jeder hantiert mit seiner Waffe und stolpert gleichzeitig rückwärts.
Alice schreit auf – » DR . STEVENS !!« – und muss mit ansehen, wie der gigantische Beißer durch Stevens’ unfreiwilliges Winden und Stolpern das Gleichgewicht verliert und zu Boden kracht.
Stevens landet mit dem Rücken auf seinem Angreifer und stößt ein feuchtes Grunzen aus. Das Blut schießt aus seinem Hals und durchnässt den riesigen Beißer unter ihm. Die Blutflut sieht in der Dunkelheit wie schwarzer, öliger Zuckerrübensirup aus. Mit würgender, gefühlloser Stimme stammelt der Arzt: » Was …? Was ist das? Ist es …?
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