The Weepers - Und sie werden dich finden: Roman (German Edition)
essen.
Joshua ging zur Kühltruhe hinüber. Er öffnete sie und sah hinein – nichts in seiner Miene verriet, dass er gerade einen seit sechs Monate auf Eis liegenden toten Menschen betrachtete. Ehrlich gesagt schien ihm das weniger auszumachen als hier im Bunker zu sein.
Bobby wollte wieder den harten Kerl spielen, stellte sich neben Joshua und sah ebenfalls in die Kühltruhe. Grandma beobachtete alles mit gerunzelter Stirn, hörte jedoch nicht auf zu stricken.
Klick. Klick.
Ich holte tief Luft und zwang meine Beine, ebenfalls zur Truhe zu gehen. Nicht hineinsehen.
Ich sah hinein. Schlechte Idee. Mein Magen drehte sich um, meine Kehle schnürte sich zusammen. Ich wandte mich ab. Dieses ... Ding ... sah nicht wie Grandpa aus. Joshua trat näher heran. »Wir könnten die Leiche in eine Decke wickeln und im Kofferraum von Geoffreys Auto verstauen. Dann kann er sie mit nach Safe-haven nehmen.«
Ich blinzelte überrascht. »Machst du Witze?«
Seine blauen Augen wirkten todernst. »Andernfalls müssen wir deine Großmutter hierlassen. Deine Entscheidung. Aber wir sollten uns beeilen, sonst ist es zu spät für deinen Vater.«
Zu spät.
Ich nickte. »Okay.«
Mom hatte alles mitangehört. Sie starrte uns mit schreckgeweiteten Augen an. »Was soll das heißen, ›zu spät‹? Es ist nicht zu spät! Ihr habt gesagt, dass ihr ihn retten könnt.« Ihr Blick wanderte unruhig zwischen Joshua und mir hin und her.
»Mom, es ist alles in Ordnung. Mach dir keine Sorgen. Wir holen ihn zurück. Aber jetzt müssen wir uns beeilen und alle hier rausschaffen. Auch Grandma.«
Ich ging zu Grandma hinüber. »Wir nehmen Grandpa mit.«
Das erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie ließ die Stricknadeln sinken. Wurde auch Zeit.
»Wirklich?«, fragte sie.
»Ja.« Ich riss ein Laken von einem der Betten. »Mom, du gehst mit Mia und Bobby vor. Wir kommen gleich nach.«
»Ich hole Geoffrey. Er muss uns helfen.« Joshua lief an meiner Mutter vorbei aus dem Bunker und kehrte kurz darauf mit Geoffrey zurück.
Meine Mutter begrüßte ihn mit einem kurzen Hände schütteln, dann verließ sie den Bunker mit Mia auf den Armen und einem protestierenden Bobby im Schlepptau, der allerdings ganz schön blass um die Nasenspitze war, sodass es ihm ziemlich schwerfallen würde, den har ten Kerl zu markieren.
Geoffrey sah sich neugierig im Bunker um. Seine Augen leuchteten, als er Dads Funkgerät entdeckte.
»Funktioniert das noch?« Er sah mich an wie ein Kind zur Bescherung.
Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Bis vor ein paar Monaten haben wir uns damit mit unseren Nachbarn unterhalten. Aber seitdem habe ich nur Rauschen gehört.«
Geoffrey nickte. »Darf ich es mitnehmen?«
»Klar. Hier ist ja niemand mehr, der es brauchen könnte.«
»Holen wir erst mal die Leiche«, unterbrach uns Joshua und nickte in Richtung Kühltruhe.
Gemeinsam hoben Geoffrey und Joshua Grandpa aus der Truhe. Es dauerte ein paar Minuten, da er auf dem Boden festgefroren war. Endlich löste er sich mit einem reißenden Geräusch. Ich musste würgen. Grandma beobachtete alles mit einem leichten Lächeln auf den faltigen Lippen. Was zur Hölle gab es denn da zu lächeln?
Joshua und Geoffrey wickelten Grandpa in das Laken und ließen ihn dabei fast fallen. Ein gefrorener weißer Arm ragte im Neunzig-Grad-Winkel aus dem Stoff.
Ich legte meine Hand auf Grandmas Schulter und führte sie zur Treppe. Sie sah immer wieder zu Joshua und Geoffrey hinüber, die Grandpa trugen. Sie wirkte sehr zufrieden.
»Pass auf die Stufen auf«, warnte ich sie. Mit sanfter Gewalt schob ich sie die Treppe hinauf. Sie hatte sogar ihre Stricknadeln und die Wolle vergessen.
Mom, Bobby und Mia warteten im Wohnzimmer auf uns und starrten die rußgeschwärzten Fenster an. Ich hätte ihnen von der Bombardierung erzählen sollen. Aber das würden sie schon früh genug selbst herausfinden. Joshua und Geoffrey hatten Grandpas Arm wieder in das Laken zurückgeschoben. Zu meiner Erleichterung war es nicht auf den ersten Blick sichtbar, was genau sie da herumschleppten. Mia würde nie darauf kommen, dass es sich um eine Leiche handelte. Ich packte die Klinke der Eingangstür.
»Vorsicht!«
Ich fuhr zusammen. Das Herz schlug mir bis zum Hals, und ich warf Joshua einen wütenden Blick zu. Musste er so schreien? Ich zog die Waffe aus dem Hosenbund, öffnete die Tür einen Spalt weit und richtete die Pistole auf etwaige Angreifer. Niemand war zu sehen – nur eine Krähe, die mit furchtlosen
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