The Weepers - Und sie werden dich finden: Roman (German Edition)
bei Bewusstsein war, hat er kein Wort mehr gesagt.«
»Was hat er im Delirium denn gesagt?«
»Immer wieder dasselbe: ›Ein Zaun, da ist ein Zaun‹.«
»Ein Zaun? Was für ein Zaun?«
Joshua zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich glaube, das weiß er selbst nicht. Tyler ist ein netter Kerl, aber auch völlig durchgeknallt. Es hat mich sehr überrascht, dass er es überhaupt geschafft hat. Ich dachte wirklich, dass er stirbt. Andererseits war Larry auch nicht viel besser dran, als er und Karen in Safe-haven aufgetaucht sind. Sie hat Larry gepflegt, und als ich Tyler angeschleppt habe, hat sie sich um ihn gekümmert. Ohne sie wären beide jetzt tot.« Sobald er von Karen sprach, wurde seine Stimme sehr sanft – er mochte sie. Vielleicht hatte sie in seinem Herzen den Platz seiner Mutter eingenommen.
Ich fragte mich, was aus seinen Eltern geworden war, traute mich aber nicht, ihn darauf anzusprechen.
Joshua fuhr langsamer. Ich bemerkte, dass die meisten Gebäude im Umkreis ausgebombt waren. Manche waren bis auf die Grundmauern niedergebrannt, andere wirkten bis auf die zerbrochenen Fensterscheiben völlig intakt. Es lag so viel Schutt auf der Straße, dass Joshua das Auto im Zickzackkurs um die Betonbrocken manövrieren musste.
Ich nahm die Pistole, die neben meinen Füßen lag, und hielt sie fest in der Hand.
Joshua blieb am Randstein stehen. Vor und hinter uns standen andere Autos, so dass der Lincoln nicht allzu sehr auffiel. Hohe Lagerhäuser ragten in den Himmel. Die verblassten Schilder darauf trugen die Namen von Firmen, die schon lange nicht mehr existierten. Dieser Ort war einmal von Leben erfüllt gewesen. Von arbeitenden Menschen, die schufteten, um ihre Familien ernähren zu können. Jetzt war alles weg: Die Jobs, die Menschen, die Familien.
Joshua drehte sich um und holte den Rucksack vom Rücksitz. Er nahm ein Jagdmesser in einer schwarzen Lederscheide heraus und reichte es mir. »Für den Fall, dass es zum Nahkampf kommt.«
Nahkampf? Ich hatte mich zum letzten Mal in der Mittelstufe geprügelt – mit Brittany Ferris. Damals hatte ich gewonnen. Sie und ihr Hyänenrudel hatten mich ausgelacht, weil ich auf meinen bodenlangen Rock getreten war und ihn dabei verloren hatte. Die Demütigung, in meinem Baumwollschlüpfer auf dem Schulhof zu stehen, hatte mich so wütend gemacht, dass ich ihr die Lippe blutig schlug. Aber Brittany Ferris war kein Weeper – zumindest damals noch nicht. Wahrscheinlich hatte sie die Tollwut nicht überlebt. Bei diesem Gedanken hatte ich ein schlechtes Gewissen. Ich schüttelte den Kopf. Jetzt war nicht die Zeit, um sich Erinnerungen hinzugeben. Ich nahm das Messer entgegen und knotete die Scheide an eine Gürtelschlaufe meiner Jeans. Joshua nickte mir bestätigend zu und gab mir eine weitere Pistole.
So viele Waffen – als würden wir in einen Krieg ziehen. Ich zeigte ihm die Pistole, die ich bereits in der rechten Hand hielt. Da brauchte ich doch wohl keine zweite.
»Du brauchst noch eine zweite«, sagte er, als hätte er meine Gedanken gelesen.
Wir zogen tatsächlich in den Krieg. Wie hatte er es genannt? Das Überleben der Stärksten. Ich nahm die Waffe und steckte sie hinten in den Bund meiner Jeans. Dann gab er mir eine Handvoll Patronen. »Steck die in deine Hosentasche. Und Sherry...«, er legte eine Hand auf meinen Arm. »Sei sparsam. Wir dürfen keine Munition verschwenden.« Dann fuhr er fort, noch bevor mir die Tragweite seiner Worte richtig bewusst wurde. »Weißt du, wie man nachlädt?«
»Das hat mir mein Dad beigebracht.« Ich stopfte die Kugeln in die Tasche und hoffte, dass Joshua nicht mitbekommen hatte, wie heiser meine Stimme klang. Ich setzte ein Lächeln auf.
Er starrte mich durchdringend an. »Dann los.« Er stieg aus.
Ich folgte ihm und sah mich um. Alles war friedlich. Eigentlich hätte ich erwartet, dass die Weepers hinter jeder Ecke lauern würden. Weepers, die einst so menschlich wie du waren, erinnerte mich eine kleine Stimme in meinem Kopf.
»Sherry?«
Ich zuckte zusammen und sah zu Joshua hinüber, der gerade ein paar Schritte auf eines der noch stehenden Lagerhäuser zuging.
Ich rannte hinterher. »Sind sie da drin?« Einerseits wäre mir das ganz recht gewesen – dann hätte ich Dad retten können. Andererseits war ich halb verrückt vor Angst.
»Nein, hier nicht. Dahinter ist noch ein kleineres Lagerhaus. Da sind sie. Oder waren sie zumindest beim letzten Mal, als ich hier war.«
Als wir an dem riesigen Gebäude
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