The Weepers - Und sie werden dich finden: Roman (German Edition)
denn?
Ich stieg ebenfalls aus und lief ihm hinterher. Er rannte schnell, und mein Knöchel war ein einziger glühender Schmerz. Hatte er den Verstand verloren?
»Joshua!«
Er sah sich um und blieb plötzlich stehen. Sein Blick wanderte zwischen mir und der Ecke des Lagerhauses hin und her, hinter der die Weepers verschwunden wa ren.
Ich erreichte ihn, bevor er sich dazu entschließen konnte, sie weiter zu verfolgen, und nahm seine Hand. »Du kannst doch nicht einfach so abhauen! Wir brauchen dich. Mein Vater braucht dich. Und die Frau auch.« Ich sah mit Tränen in den Augen zu ihm auf.
Er starrte mich ohne mit der Wimper zu zucken an. Dann ließ er die Schultern sinken. »Du verstehst das nicht.«
»Weil du mir ja auch nie was erklärst!«
Er schüttelte den Kopf. »Gehen wir zum Auto zurück. Die sind sowieso längst über alle Berge.«
Ich wollte seine Hand nicht loslassen. »Vielleicht solltest du mal mit jemandem darüber reden«, schlug ich vor.
»Nicht hier. Im Auto.« Er setzte sich hinters Steuer, und ich nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Die Frau hatte die Knie an die Brust gezogen und wippte vor und zurück.
Dad hatte die Augen geschlossen und atmete flach. Ich schob meinen Arm zwischen die Vordersitze und schüttelte ihn sanft, woraufhin er die Augen einen Spalt weit öffnete. Seine Mundwinkel hoben sich leicht. Dann, als würde ihn selbst dieses Lächeln zu viel Kraft kosten, ließ er sie wieder hängen.
»Wie geht es Mom und den anderen? Hast du sie aus dem Bunker geholt?«
Ich musste mich anstrengen, um ihn zu verstehen.
»Ihnen geht’s gut. Sie sind in Sicherheit.«
Mit der Andeutung eines Nickens schloss er die Augen. Dann ließ Joshua den Motor an. Wir fuhren los. Eine Minute später hatten wir den Hafen hinter uns gelassen.
»Ich habe einen der Weeper wiedererkannt.« Joshuas Stimme war sanft und leise. »Den großen habe ich schon mal gesehen.«
Ich wollte seine Hand nehmen, aber etwas hielt mich zurück. Vor uns lag der leere Highway. Gras wuchs aus den Rissen im Asphalt.
»Als du auf der Jagd warst?«
»Nein. Als meine Schwester gestorben ist.«
»Der Weeper hat sie getötet?« Vor meinem inneren Auge erschienen hungrige braune Augen.
Joshua antwortete nicht. Tränen glänzten in seinen Augenwinkeln. Er wischte sie weg und starrte aus der Windschutzscheibe. Ich schob meine Hand auf seine, die er auf sein Bein gelegt hatte. Ob er mir wohl jemals erzählen würde, was mit seiner Familie geschehen war?
Händchenhaltend ließen wir uns in die Sitze zurückfallen. Joshua warf einen Blick in den Rückspiegel – bereits zum dritten Mal. Hatte er etwas gesehen? An gespannt umklammerte er mit beiden Händen das Lenkrad.
Ich rutschte näher an ihn heran und spähte auf den Rücksitz, um sicherzugehen, dass Dad und die Frau nicht zuhörten. Ich wollte ihnen nicht unnötig Angst machen.
»Was ist?«
Er sah mich kurz aus den Augenwinkeln an und überprüfte dann wieder die Rückspiegel. »Ich glaube, wir werden verfolgt.«
Ich sah aus der Heckscheibe. Eine leere Straße unter einem bewölkten Himmel. Sonst nichts.
»Bist du sicher?« Ich sprach mit gedämpfter Stimme.
Dad hatte die Augen geschlossen und den Mund geöffnet. Entweder schlief er oder er hatte das Bewusstsein verloren. Immerhin atmete er noch. Die Frau neben ihm hatte ihr Gesicht zwischen den Knien vergraben. Wenigstens hatte sie aufgehört zu jammern. Keiner von ihnen schien sich großartig dafür zu interessieren, was um sie herum vorging.
Joshua nickte und trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad. »Sie halten genügend Abstand, damit wir sie nicht bemerken. Sie sind zu dritt. Trotzdem haben sie Mühe, mit dem Lincoln Schritt zu halten.«
Drei?
Mein Magen krampfte sich zusammen. Ich bohrte die Fingernägel in das abgenutzte Leder des Beifahrersitzes. Warum konnten uns diese Bestien nicht einfach in Ruhe lassen? Was hatten wir ihnen denn getan?
Alles. Wir hatten ihnen das Schlimmste überhaupt angetan.
Ich griff nach dem Revolver, den ich im Fußraum abgelegt hatte, und versuchte, diese Gedanken aus meinem Kopf zu drängen. Der kalte Stahl lag schwer in meiner Handfläche. Joshua griff hinter sich nach dem Rucksack. Er lenkte mit einer Hand und packte mit der anderen die Schrotflinte.
Schon komisch, dass Schusswaffen und Feuergefechte plötzlich so ein wichtiger Teil meines Lebens waren. Ich hatte Gewalt immer verachtet – das tat ich nach wie vor –, aber nun schien es, als sollte nicht ein Tag ohne
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