The Weepers - Und sie werden dich finden: Roman (German Edition)
waren nichts, absolut nichts im Vergleich zu der Vorstellung, Joshua zu verlieren. Ich biss mir so fest auf die Lippen, dass ich Blut schmeckte. Meine Arme brannten, und meine Hand flächen waren glitschig von Blut und Regenwasser. Wimmernd zog ich mich hoch, ich befürchtete, meine Muskeln und Sehnen würden jeden Augenblick einfach abreißen. Meine Füße suchten nach Halt, rutschten aber immer wieder ab.
Joshua.
Dann fand ich mit den Zehen an der rauen Hauswand Halt. Die Schmerzen waren kaum auszuhalten. Egal. Ich zog mich hoch und schaffte es, eine Ferse auf die Regenrinne zu legen. Jetzt waren die Schmerzen höllisch. Schlimmer noch. Es war, als würden sich Rasierklingen in meine Schulter bohren, Säure meine Fußsohlen ver brennen und Nadeln in meine Finger stechen. Als ich mich hochzog, zitterten meine Arme wie Espenlaub. Einen Augenblick lang lag ich flach auf dem Bauch, mit dem Gesicht auf den Dachziegeln. Mein nasses Haar klebte an meiner Haut. Mein schmerzender Körper warnte mich vor jeder weiteren Bewegung.
Trotzdem rappelte ich mich auf. Einen Moment lang verlor ich die Orientierung. Ich hatte Angst. Angst vor dem, was ich gleich zu Gesicht bekommen würde: einen toten, in Fetzen gerissenen Joshua, der mich aus leblosen Augen anklagend anstarrte.
Doch der Kampf war noch in vollem Gang. Der Weeper hatte Joshua an den Rand des Daches gedrängt. Ein weiterer Schlag, und Joshua würde in die Tiefe stürzen.
Keine Ahnung, wie ich es schaffte, über die feuchten Dachziegel zu rennen – aber ich tat es, und dann warf ich mich auf den Weeper. Das war völlig verrückt. Gefährlich. Meine Finger versuchten, seinen Hals zu umklammern.
Der Weeper schrie auf. Ich hatte ihn überrascht. Er schlug nach mir, verfehlte mich jedoch. Ich hing an seinem Rücken, als hätte er mich Huckepack genommen. Ich würde ihn nicht loslassen. Er durfte Joshua nichts antun. Und er durfte das Dach auf keinen Fall verlassen. Sonst würde er meine Familie töten.
»Lass ihn los, Sherry!«
Ich lockerte meinen Griff. Ich hatte Hautstreifen in den Händen, als ich auf dem Hintern landete. Ein stechender Schmerz durchfuhr mein Steißbein. Das Jagdmesser leuchtete wie ein Blitz in Joshuas Hand auf. Er schwang es in hohem Bogen und durchtrennte die Kehle des Weepers. Sein Brüllen verwandelte sich in ein Gurgeln, als das Blut aus der Wunde schoss und über seine Brust lief. Er weinte jetzt noch stärker, und seine milchigen Tränen vermischten sich mit dem Rot. Er taumelte rückwärts und fiel vom Dach.
Der Wind zerrte an meinem Haar und fuhr mir in die Ohren. Der Weeper war weg – tot. Wir hatten überlebt, hatten unsere Familie und unsere Freunde beschützt. Obwohl ich mir so sicher gewesen war, dass wir sterben würden, lebten wir noch.
Wir lebten. Tatsächlich.
Warme Hände umschlossen mich in einer festen Umarmung. Langsam lehnte ich mich gegen Joshuas Brust, die klebrig von Blut war. Ich spürte seine Lippen auf meinem Ohr. Ich weiß nicht, ob er mir etwas zuflüsterte oder mich küsste. Ich war immer noch benommen. Er nahm mein Gesicht in seine Hände. Seine zarten Hände, die gleichzeitig so unnachgiebig töten konnten. Er hob meinen Kopf. Blut floss aus einem Schnitt über der rech ten Augenbraue in sein Gesicht. Das Mondlicht spiegelte sich in seinen Augen und verlieh ihnen ein silbernes Funkeln.
Seine Lippen bewegten sich, doch seine Worte wurden von dem Rauschen in meinen Ohren übertönt. Seine Hände wischten die Haare aus meinem Gesicht, strei chelten mich, suchten mich vorsichtig nach Verletzungen ab. Blut tropfte in sein rechtes Auge, doch er blinzelte es einfach weg.
»Alles klar?«, fragte ich.
Er lächelte, als ob diese Frage völlig unnötig wäre. Unsere Lippen berührten sich. Seine warmen Hände lagen auf meinen Wangen. Unser Kuss schmeckte nach Blut und Tränen. Nach Regen und Schmutz. Nach Schmerz und Erlösung. Aber mehr als alles andere schmeckte er nach einem Versprechen. Einem Schwur, niemals zuzulassen, dass dem anderen etwas zustieß.
Obwohl es mitten in der Nacht war, ging keiner ins Bett. Ich glaubte nicht, dass ich wieder einschlafen konnte, ja, dass ich jemals wieder schlafen würde. Immer noch klang das Klopfen der Fingernägel in meinen Ohren. Immer noch hatte ich die blitzenden Reißzähne und Messerklingen vor Augen und schmeckte Blut auf meinen Lippen.
Wir verbrachten den ganzen Morgen und den frühen Nachmittag mit Aufräumen. Wir trugen die zerstörten Möbelstücke aus dem Haus
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