Themba
Fälle auch immer mal wieder als Torwart, aber nur bei gutem Wetter, denn es macht keinen Spaß, so lange auf einer Stelle zu stehen und die harten Bälle abzubekommen. Unsere mangelnde Begeisterung für diesen Posten gleichen wir dadurch aus, dass wir meistens ohne Torwart spielen und den Abstand zwischen den Torpfosten - ein paar angehäufte Steine links und rechts - entsprechend verkleinern. Als weitere Erschwernis haben wir uns die Regel ausgedacht, dass man auf diese Minitore nur aus einem bestimmten Mindestabstand schießen darf. Übrigens sind wir ziemlich streng, was unsere Regeln betrifft: Wer aus zu großer Nähe aufs Tor schießt, wird mit einem Elfmeter des Gegners bestraft.
Das Kicken am Nachmittag ist um Längen besser als alles, was sich in der Schule im Sportunterricht oder in der Fußball-AG am Donnerstag abspielt. Im Unterricht kommt Fußball meist zu kurz. Mr Makete, unser Sportlehrer, beschäftigt die Meute von über achtzig Schülern pro Klasse lieber komplett, als dass nur zweiundzwanzig von uns in zwei Mannschaften Fußball spielen und der Rest rumsitzt und zuschaut. Und in der Fußball-AG bestimmen immer nur die Großen ab sechzehn, was läuft und was nicht. Einige von denen sind wirklich gut, aber sie machen das fast immer nur untereinander aus. Jüngere wie Sipho und ich dürfen da gerade mal den Ballholer spielen. Dann gucken wir uns nur still an und denken: Ihr könnt uns mal, morgen oder übermorgen sind wir wieder unter uns und dann wird richtig Fußball gespielt.
Wenn wir kicken, vergessen wir alles andere - Sipho die Sorgen um seine kranke Mutter, die ich tatsächlich in all den Wochen bis dahin nicht einmal zu Gesicht bekommen habe, und ich... Onkel Luthando.
Am Anfang gebe ich mir leidlich Mühe, meine Abneigung ihm gegenüber zu verbergen. Eine ganze Weile lang gelingt mir das sogar. Er tut Mutter gut, das ist nicht zu übersehen. Ich sollte froh sein. Endlich hat sie abends einen Erwachsenen außer Tatomkhulu, mit dem sie reden kann. Und er bezahlt einen Beitrag zum Essen und noch etwas extra für Miete, obwohl er ja im weitesten Sinne zur Familie gehört. Nachts schläft er nach wie vor auf seinem Lager gegenüber unseren Matten, und etwa alle zwei Wochen zieht er seinen guten Anzug an und fährt für einen Tag nach Mqanduli oder Umtata, um dort »Geld aus einem Automaten zu holen«, wie er sagt. Womit er das Geld verdient, weiß keiner. Das scheint Mutter aber bisher nicht zu beunruhigen. Auch nicht, dass wir über die Zeit, seit er vom Bergwerk wegging, und wen oder was er zurückgelassen hat, bevor er nach Qunu kam, beinah genauso wenig wissen wie über Vaters Leben nach diesem Zeitpunkt.
»Hat er denn keine Frau und Kinder?«, fragt Nomtha eines Morgens, als er sich draußen wäscht.
»Er sagt, dass sich seine Frau von ihm getrennt hat, als er noch im Bergwerk war«, berichtet Mutter. »Einmal kam er unerwartet eher nach Hause und hat sie mit einem fremden Mann im Bett erwischt. Erst hat er sie geschlagen, aber dann hat er gemerkt, dass sie ihn nicht mehr liebt, und schließlich ist er von ihr und den Kindern weggegangen.«
»Und? Glaubst du das?«, frage ich nach.
»Ich weiß nicht...«, antwortet sie ehrlich. »Ich merke, dass er Geheimnisse hat, aber so lange ist er ja noch nicht bei uns.«
»Wie lange will er denn noch bleiben?«, fragt nun wieder Nomtha.
Mutter kennt uns gut genug, um zu spüren, dass wir ihn nicht leiden können.
»Seid ihr eifersüchtig? Wollt ihr, dass er geht?«
Nomtha und ich schauen uns an. Sind wir eifersüchtig? Vielleicht. Aber wir drucksen mit einer Antwort herum, denn darum geht es doch eigentlich nicht. Am Ende sagen wir gar nichts.
»Ich möchte ihn nicht einfach so vor die Tür setzen«, sagt Mutter. »Und vergesst nicht, dass ich eure neuen Hemden für die Schuluniform nur von seiner Miete bezahlen konnte.«
Nomtha und ich schweigen noch immer. Nomtha dreht ein paar ihrer Spielsteine in der Hand hin und her und ich stochere mit meinem Hirtenstock im Sand.
Etwa eine Woche vor meinem dreizehnten Geburtstag ist wieder mal einer jener Tage, an denen Onkel Luthando schon früh aufbricht, um Geld aus der Stadt zu holen und noch »ein paar andere kleine Geschäfte zu erledigen«, wie er beim Frühstück erklärt.
Alles ist wie sonst auch, niemand von uns bemerkt etwas Ungewöhnliches.
Dass er Mutter einen Abschiedskuss gibt, ist auch schon mal vorgekommen und geht im Prinzip nicht weiter als eine herzliche Verabschiedung zwischen
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