Themba
sich inzwischen über Onkel Luthando gebeugt und mit einer Schere sein Hemd aufgeschnitten, sodass wir genauer sehen können, welcher Art seine Verletzungen sind. Tatsächlich hat er zwei längere Wunden am rechten Oberarm, die noch immer stark bluten. Eine kleinere Wunde in der linken Bauchseite blutet kaum, aber es ist trotzdem nicht zu sehen, wie tief der Stich ging und was beschädigt ist. Mir fällt auf, dass seine Armbanduhr fehlt, aber ich sage nichts.
Mutter benutzt einen Teil seines Hemdes, um mit einem Druckverband die Blutung am Arm zu stillen. Wir arbeiten schweigend, wie ein eingespieltes Erste-Hilfe-Team, sogar Nomtha hilft mit, als wäre sie nicht erst elf. Bevor wir uns der Wunde am Bauch widmen, wischt Mutter mit einem kühlen, feuchten Lappen über Onkel Luthandos Gesicht und schlägt ihm dann einige Male mit der flachen Hand auf seine Wangen. »Er muss aufwachen und trinken, er hat schon zu viel Blut verloren«, sagt sie.
»Ich weiß«, sagt Nomtha und nickt wie eine routinierte Oberschwester.
Gerade als Onkel Luthando endlich die Augen aufschlägt, klopft es an die Tür und Mama Zanele stolpert herein. Hinter ihr stehen noch drei oder vier Nachbarinnen, die neugierig schauen, aber von ihr angewiesen werden, draußen zu warten.
»Was ist denn nur geschehen?«, fragt sie mit heiserer Stimme.
»Luthando hatte einen Unfall...«, stammelt Mutter, und ich kann sehen, wie der Onkel sie flehentlich anschaut, dass sie nur ja kein falsches Wort sagt.
Mama Zanele hat in ihrem langen Leben schon viel gesehen. Bis zum Tod ihrer Tochter hat sie auch ihre Dienste als Sangoma angeboten, und so wie sie ungefragt ins Haus gekommen ist, schaut sie nun kritisch auf die Wunde in Onkel Luthandos linker Bauchseite, tastet mit zwei Fingern mehrere Stellen daneben ab und sagt schließlich mit ruhiger Stimme: »Der Mann muss ins Krankenhaus.«
Es ist das erste Mal, dass der Onkel den Mund aufmacht und zu sprechen versucht. Es kommt kein Ton heraus. Mutter flößt ihm ein paar Schlucke Wasser ein, dann versucht er es erneut: »Bitte kein Krankenhaus... ich werde es schaffen.«
»Ein Unfall...«, brummt Mama Zanele missmutig. »Unfall der fliegenden Messer.« Und zu uns gewandt: »Mandisa, die Bauchwunde scheint tatsächlich nicht so tief zu sein, aber es bleibt ein großes Risiko, keinen Arzt zu holen. Die Entscheidung kann ich euch nicht abnehmen«, sie zögert einen Moment, »aber ich habe noch Kräuter und andere Medikamente gegen Schmerzen von meiner Tochter damals. Die kann ich euch bringen.« Und als sie schon an der Tür ist, fügt sie noch hinzu: »Weißt du, dass die Frau des Mlungu , der den kleinen Laden an der Autostraße eröffnet hat, wo wir damals alle auf Arbeitssuche waren, früher als Krankenschwester gearbeitet hat?«
Mutter erhebt sich vom Bett neben Onkel Luthando: » Enkosi kakhulu - ich danke dir sehr, Mama Zanele.«
In den folgenden Stunden bis zum frühen Morgen kocht Mutter mehrere Tücher aus, um sie als saubere Verbände benutzen zu können. Einige Nachbarinnen helfen erst noch, Wasser zu holen, gehen dann aber gemeinsam mit Mama Zanele heim, weil aus Mutter nichts mehr herauszubekommen ist.
Als Mutter mit einer von Mama Zanele mitgebrachten Desinfektionslösung die Wunden säubert, schreit der Onkel nur einmal kurz auf, beißt dann aber die Zähne zusammen und macht keinen Mucks mehr. Ununterbrochen versucht sie, ihm Tee einzuflößen, den sie mit Kräutern von Mama Zanele gekocht hat.
Viel Schlaf bekommen wir in dieser Nacht nicht. Irgendwann spät sagt Mutter zu mir, als Nomtha und der Onkel endlich eingeschlafen sind: »Themba, ich werde um Luthandos Leben kämpfen. Ich bin sicher, dass er in irgendetwas verwickelt war, was Unrecht ist, aber ich bin nicht sein Richter. Er kannte meinen Mann, er ist sogar ein Onkel von ihm. Ich tue das auch für Vuyo, euren Vater.«
Am nächsten Morgen scheint es dem Onkel zunächst etwas besser zu gehen. Die Schmerzmittel von Mama Zanele zeigen Wirkung. Großvater, den Mama Zanele informiert hat, bringt am Vormittag zur Sicherheit noch eine halb volle Flasche billigen Brandy mit. »Das hilft auch«, meint er aufmunternd und klopft Onkel Luthando auf die Schulter.
Am Nachmittag des zweiten Tages verschlechtert sich sein Zustand jedoch wieder. Mutter befühlt seine Stirn: »Fieber!«
Da es am nächsten Morgen nicht besser ist, bleibt Mama Zanele mit uns an seinem Bett und hilft mit kalten Umschlägen und weiteren Kräutern, während Mutter sich
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