Themba
Mutter ist so erleichtert, ja beinah übermütig, dass sie hat helfen können und dass bis jetzt alles gut gegangen ist. Am Nachmittag rasiert und wäscht er sich und zieht sich frische Sachen an.
Am Abend dieses Tages, als Nomtha schon schläft und Mutter glaubt, ich schliefe auch, stoßen sie und Onkel Luthando erst ganz leise mit Großvaters Brandy auf diesen Erfolg an und dann noch einmal darauf, dass sie sich überhaupt in diesem Leben getroffen haben. Das nächste Glas trinken sie schon nicht mehr so leise darauf, dass niemand dahinter gekommen ist, warum jemand den Onkel mit einem Messer umbringen wollte. Und vor dem nächsten ruft Mutter ausgelassen: »Luthando, jetzt ist es aber an der Zeit, dass du mir die Wahrheit sagst, nichts als die Wahrheit!« Sie stottert ein wenig, was wahrscheinlich vom Alkohol herrührt.
Onkel Luthando hat eine Hand um ihre Schulter gelegt und zieht mit der anderen ihr Gesicht dicht an das seine. Auch er spricht undeutlich, aber ich kann trotzdem jedes Wort verstehen: »Erst wenn du mir einen Kuss gibst, mein Engel.«
Tatsächlich gibt Mutter ihm einen Kuss. Keinen langen, leidenschaftlichen, aber doch einen Kuss. Mein Herz klopft wie verrückt. Am liebsten würde ich laut schreien oder zumindest hinauslaufen, aber ich bleibe wie gelähmt liegen, während mir am ganzen Körper der Schweiß ausbricht.
»Und jetzt bist du dran!«, sagt Mutter und lacht dabei wieder, wie ich es überhaupt nicht von ihr kenne.
Schließlich senkt Onkel Luthando seine Stimme und spricht sehr schnell, offensichtlich um es hinter sich zu bringen: »Es ging um intsangu , weißt du, dagga eben - Haschisch und so. Ich war ein Mittelsmann. In Umtata gibt es eine Stelle, wo eine Menge davon umgeschlagen wird. Mein Job war es, einen kleinen Teil mitzunehmen und an Leute weiterzuverkaufen, die dann an der Küste bei den großen Hotels ihr Geschäft machen. Dabei habe ich Streit mit einem der Bosse bekommen. Beinah wäre es schief gegangen. Den Job bin ich für immer los, aber dafür hast du mir das Leben gerettet.«
Ich könnte schwören, dass sie sich wieder küssen, aber ich traue mich nicht, die Augen zu öffnen. Mutter flüstert etwas, was ich nun wirklich nicht mehr verstehen kann, obwohl ich die Ohren spitze wie verrückt. Dann flüstert wieder Onkel Luthando und schließlich höre ich alle möglichen Bewegungen und weiteres Flüstern und unterdrücktes Lachen... und das dauert und dauert und dann so etwas wie ein Stöhnen oder schweres Atmen, dann wieder Flüstern und schließlich ist Ruhe. Ich bin sicher, dass sie gemeinsam in Mutters Bett liegen.
Es dauert vielleicht zehn oder zwanzig Minuten, bis es mir endlich gelingt, meine Erstarrung zu überwinden, die Decke zurückzuschlagen und die Augen zu öffnen. Mein Hemd und meine Unterhose sind schweißnass. Es muss lange nach Mitternacht sein, denn der Mond steht bereits tief. Ich erhebe mich mühsam und gehe, ohne das geringste Geräusch zu machen, zu dem abgedeckten Eimer mit frischem Wasser. Ich trinke drei Gläser jeweils in einem Zug aus.
Dann setze ich mich auf den Boden und lege beide Handflächen auf die kühle Erde. Zu Mutters Bett schaue ich nicht hinüber. Seit kurzem bin ich dreizehn Jahre alt.
Suyafana neengonyama
Löwen wie wir
Schon möglich, dass Mutter und Onkel Luthando die besten Vorsätze haben, jedenfalls eine Zeit lang. Weder Nomtha noch ich sagen ein Wort, als Onkel Luthando von nun an mit Mutter in einem Bett schläft. Aber eine Woche nach meinem dreizehnten Geburtstag schiebt Nomtha, ohne mich zu fragen, unsere beiden Matten so weit wie möglich von Mutters Bett weg. So klein, wie unsere Hütte ist, beträgt der Unterschied nur knapp zwei Meter. Doch jeder versteht die Geste, auch Onkel Luthando. Als wolle er zeigen, dass Nomtha und ich ihn falsch einschätzen, steht er in den kommenden drei Monaten jeden Morgen, außer sonntags, früh auf, um Arbeit zu suchen. »Eine richtige Arbeit«, betont Mutter und nickt uns zu.
In der Regel macht er zuerst eine Runde bei verschiedenen Farmen der Umgebung, und da dies meist erfolglos ist, sitzt er dann mit den anderen Männern bis Mittag an der Kreuzung zur Straße nach Mqanduli, wo sie stundenlang warten und hoffen, dass ein Bauunternehmer oder Farmer sie für einen Tag irgendwo braucht und im offenen Lastwagen mitnimmt. Drei- oder viermal hat Onkel Luthando Glück und darf aufspringen. Für zehn, zwölf Stunden auf dem Feld oder einer Baustelle bekommt er gerade genug, um abends
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