Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Themba

Themba

Titel: Themba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz van Dijk
Vom Netzwerk:
solange Jama und Nosipho noch so klein sind.«
    Der siebenjährige Jabu nickt entschlossen bei den Worten seines älteren Bruders. Ich schäme mich, dass ich so lange kein Gemüse mehr vorbeigebracht habe. Wenn ich doch nur etwas geahnt hätte. Aber was ist aus Siphos Mutter geworden, wenn niemand merken durfte, dass sie tot ist?
    Als könnte er meine Gedanken lesen, berichtet Sipho weiter: »Jabu und ich haben sie zwei Nächte nach ihrem Tod ein paar Meter hinter dem Schuppen begraben, tief genug, dass keine wilden Tiere sie ausbuddeln können, und gleich neben dem alten Baum, unter dem sie früher gern saß und übers Tal schaute, als das noch ging...«
    Nach Mama Zanele ist Sipho der zweite Mensch, den ich kenne, der das Wort AIDS ausspricht. Noch größer als der Schrecken über den Tod seiner Mutter ist das Gefühl unendlichen Vertrauens, das ich ihm gegenüber in diesem Moment empfinde. » Enkosi kakhulu , Sipho - dank dir.«
    Während wir noch schweigend beieinander stehen, ruft die kleine Nosipho plötzlich mit ernstem Gesicht: »Ich muss mal!«
    Unwillkürlich müssen Sipho und ich lachen. »Das Leben geht weiter«, sagt er trocken.
    Jabu nimmt Nosipho bei der Hand und geht mit ihr zum Klo hinters Haus.
    Dann wendet sich Sipho noch einmal an mich: »Themba, bitte behalt unser Geheimnis für dich. Niemand darf etwas davon wissen, jedenfalls vorläufig noch nicht.«
    »Auch nicht Nomtha? Wir haben einander noch nie etwas verschwiegen.«
    »Bitte, Themba, noch nicht. Nur wenn es nicht mehr anders geht bei euch daheim und ihr zu uns kommen wollt.«
    »Versprochen.«
    Auf dem Nachhauseweg nehme ich mir Zeit. Mir ist klar, dass die kommenden Wochen und Monate nicht einfach werden, aber ich bin fest entschlossen, mir und Nomtha von Onkel Luthando nichts gefallen zu lassen, bis Mutter wieder bei uns ist. Auch wenn er körperlich stärker ist, hat er kein Recht, uns Vorschriften zu machen. Ich nehme mir Sipho zum Vorbild. Er ist nur wenig älter als ich und sorgt jeden Tag für drei Geschwister, ohne zu klagen oder andere um Hilfe zu bitten.
    Als ich zu Hause ankomme, ist der Onkel noch nicht zurück. Nomtha und ich wärmen uns den letzten Rest von der Suppe auf, die Mutter noch gekocht hat. Nomtha achtet darauf, dass für Onkel Luthando noch etwas übrig bleibt. Als Nomtha fragt, warum meine Nase geschwollen ist, murmele ich nur etwas von einem Zusammenstoß beim Fußball.

    Die ersten Wochen nach Mutters Abreise vergehen ohne weitere ernste Zwischenfälle zwischen Onkel Luthando und mir. Es herrscht eine Art Waffenstillstand, wobei wir uns so weit wie möglich aus dem Weg gehen und kaum miteinander sprechen. Wenn er mir etwas mitzuteilen hat, wendet er sich meist an Nomtha: »Sag mal deinem Bruder...«
    Meinetwegen hätte das so bleiben können, vielleicht wären wir dann bis heute in unserem Dorf und würden auf Mutter warten. Wenn nicht zwei Ereignisse stattgefunden hätten, die alles veränderten. Und wenn wir weiter von Mutter Post bekommen hätten.
    Wir erhalten in den ersten Monaten vier Postkarten und einen Brief von Mutter, die ich alle bis heute aufgehoben habe. Sie wurden im Abstand von jeweils drei bis vier Wochen aus Kapstadt abgeschickt, wie wir am Poststempel sehen. Einen Absender hat sie nicht angegeben. Jedes Mal schreibt sie, wie stolz sie auf uns sei und dass sie uns sehr vermisse. Sie berichtet kurz, dass sie die Putzstelle tatsächlich bekommen habe und dass es ihr gut gehe. Auf der letzten Karte schreibt sie, dass sie die Arbeit immer noch habe, obwohl sie eine Weile erkältet gewesen sei, und dass sie in einem Township südlich von Kapstadt wohne: »Nicht weit vom Meer, aber über dreißig Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, sodass ich immer schon um fünf Uhr früh aufstehen muss.« Dann, mehr als vier Monate, nachdem sie uns verlassen hat, kommt nur noch ein Brief. Die Adresse auf dem Umschlag ist eindeutig in ihrer Handschrift geschrieben. In dem Umschlag steckt ein leerer weißer Bogen Papier, in dem drei Banknoten von je zweihundert Rand so gefaltet sind, dass dem Umschlag von außen nichts anzusehen ist. Kein Brief, keine Erklärung, kein Gruß, nichts.
    Nomtha hat den Briefumschlag als Erste gefunden und auf mich und Onkel Luthando gewartet, um ihn gemeinsam zu öffnen. Ich hätte das lieber mit ihr allein getan, aber nun ist es zu spät.
    »Das ist ein gutes Zeichen«, meint Onkel Luthando. »Sie hat Geld übrig und jedem von uns einen Schein geschickt.«
    »Es ist nicht Mutters Art,

Weitere Kostenlose Bücher