Themba
keine Erklärung zu geben. Ich schlage vor, dass wir nur einen Schein für das Nötigste verwenden und den Rest des Geldes aufheben, bis wir wissen, was los ist.«
»Vielleicht kommt ja noch eine Karte?«, sagt Nomtha hoffnungsvoll.
Onkel Luthando scheint dringender als wir beide Geld zu benötigen: »Sag deinem Bruder, dass er seinen Schein gern sparen kann. Ich mach da nicht mit...« Und schon hat er Nomtha eine der Banknoten aus der Hand genommen.
Seit unserer Konfrontation am Tag von Mutters Abreise ist es das erste Mal, dass er mich herausfordert. In seinem Gesicht sehe ich die gleiche Härte und Entschlossenheit wie damals. Er wird das Geld nicht kampflos hergeben. Und ich möchte auf keinen Fall vor Nomthas Augen eine körperliche Niederlage einstecken. Deshalb entgegne ich nur, so beherrscht wie möglich: »Wenn wir wieder von Mutter hören und sie will es anders, wirst du es zurückzahlen.«
Er steckt die Banknote mit einem Achselzucken ein und wirft mir einen verächtlichen Blick zu. Dann verlässt er unsere Hütte ohne ein weiteres Wort und knallt hinter sich die Tür zu.
Schon länger essen wir abends nicht mehr gemeinsam. Von Tatomkhulu wissen wir, dass Onkel Luthando neue Saufkumpane gefunden hat, die wir nicht kennen. Bei Tatomkhulu ist er in den letzten Wochen nur noch selten gewesen. Oft schlafen wir schon, wenn er heimkommt. Wenigstens hat er sich bisher dann meist ruhig verhalten, sodass wir nur ab und zu aufwachen, wenn er aus Versehen im Dunkeln gegen einen Stuhl oder ein anderes Möbelstück rempelt. Dass er inzwischen beinah jeden Abend trinkt, riechen wir an der Schnapsfahne, die noch am Morgen in unserer kleinen Hütte hängt. Wenn wir zur Schule gehen, liegt er meist noch schnarchend im Bett.
Der Briefumschlag bleibt zunächst das letzte Lebenszeichen von Mutter. Oft reden Nomtha und ich abends vorm Einschlafen noch über sie.
»Ich mache mir Sorgen, dass ihr etwas passiert ist«, sagt Nomtha immer häufiger, je länger Post von Mutter ausbleibt.
»Dann hätte sie nicht so viel Geld schicken können«, behaupte ich, aber mehr, um sie zu beruhigen, als aus innerer Überzeugung.
»Wenn wir doch nur eine Anschrift hätten«, seufzt Nomtha. Bereits vor längerem haben wir Mama Zanele nach der Handynummer ihrer Freundin gefragt, um uns dort nach Mutter zu erkundigen. Nachdem wir ein paarmal Nachrichten auf ihrer Mailbox hinterlassen haben, ruft sie endlich eines Tages bei Mama Zanele zurück.
»Macht euch keine Sorgen«, sagt Mama Zanele. »Eure Mutter hat zwar nicht mehr den Job meiner Freundin, aber sie hat etwas Neues gefunden und auch etwas zum Wohnen irgendwo in jenem Township am Meer.«
»Ja«, sage ich, »das hat sie uns geschrieben.«
Aber wirklich beruhigen kann uns das nicht. Die neue Anschrift ist auch Mama Zaneles Freundin nicht bekannt. Ich zerbreche mir den Kopf, wie ich es anstellen könnte, mit Mutter Kontakt aufzunehmen, aber ich komme einfach nicht weiter. Auch Mama Zanele hat keine Idee, versucht, mich aber zu beruhigen, und sagt, wir sollten uns gedulden, vielleicht sei ja nur ein Brief verloren gegangen. Mutter werde sicher bald wieder von sich hören lassen. Ich gebe mir alle Mühe, aber Geduld ist ganz sicher nicht meine Stärke.
Doch dann ereignet sich etwas, was mich für eine Weile ablenkt und selbst Nomtha auf andere Gedanken bringt, weil ich von einem zum anderen Tag kaum noch von etwas anderem rede.
Als Erster hat Sipho davon gehört, als er mit den anderen Männern an der Kreuzung wartete und einer von denen gerade von einer Arbeit auf einer Baustelle in Umtata zurückkam. »Im Unabhängigkeits-Stadion von Umtata finden in drei Monaten die landesweiten Fußballmeisterschaften der Junioren statt. Alle Vereine aus dem Eastern Cape mit Mannschaften, deren Spieler nicht älter als sechzehn sind, können sich bewerben - das hat der Mann gesagt!«, berichtet Sipho einen Tag später, als alle »Löwenstürmer« zum Training bei ihm versammelt sind.
»Wir sind aus eMpuma-Koloni , dem Eastern Cape, und in unserem Verein ist niemand älter als sechzehn«, ruft Ayanda begeistert. »Das ist wie für uns gemacht!«
»Ist überhaupt schon jemand sechzehn?«, fragt Zama.
» Mna - ich«, antwortet Sipho. Bis jetzt war Sandla der Älteste gewesen, aber der ist vor ein paar Wochen zu seinem Vater nach iGoli gezogen. Ich weiß nicht genau, wann Sipho Geburtstag hat, weil er den noch nie gefeiert hat, seit ich ihn kenne. Aber das erinnert mich daran, dass ich in ein
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