Themba
ausnutzen oder weitererzählen. Alles berichte ich ihm, auch von meiner Angst, eines Tages vielleicht Nomtha nicht wirklich beschützen zu können gegen Onkel Luthando.
Nicht einmal hat Sipho mich unterbrochen. Ich beende meinen Bericht mit Onkel Luthandos Drohung, mir zu zeigen, wer ab jetzt bei uns das Sagen hat. Sipho bleibt einen Augenblick still, bevor er mit einer traditionellen Redensart antwortet, die ich auch schon einmal von Tatomkhulu gehört habe: »Ukhasel’eziko!« Wörtlich übersetzt heißt das: »Jener, der zum Feuer kriecht.« Gemeint ist damit: Das ist einer, der gefährlich werden kann. Sipho hat mich genau verstanden.
Wie immer, wenn wir allein sein wollen, sitzen wir im Schuppen. Wir sprechen leise und hocken ganz dicht beieinander. Ich merke, dass Sipho angestrengt über etwas nachdenkt. Ich warte, keinesfalls will ich ihn drängen. In dem Moment hören wir das Weinen eines Kindes aus der Hütte, dann wird die Tür einen Spalt geöffnet, und der kleine Jama ruft kläglich von draußen herein: » Yiz’apha, Sipho - komm her, wir brauchen dich!«
Sofort springt Sipho auf und läuft zur Hütte hinüber. Wie immer schließt er die Tür sofort wieder hinter sich. Ohne die einzelnen Worte zu verstehen, höre ich ihn streng mit seinen Geschwistern reden. Augenblicklich erstirbt das Weinen. Kurz darauf öffnet sich die Tür und er kommt langsam zu mir zurück. Es ist, als hätte er gerade eine schwere Entscheidung getroffen und bräuchte jetzt nur noch etwas Zeit, um sich daran zu gewöhnen.
Schließlich bleibt er vor mir stehen und beginnt zu reden. »Themba, wenn ihr beide, Nomtha und du, zu Hause nicht mehr bleiben könnt, dann...«, er hält kurz inne, fährt dann aber entschlossen fort, »... dann könnt ihr jederzeit zu uns kommen und hier wohnen.«
»Aber deine Mutter...«, entgegne ich unsicher, als müsste ich ihn an die einzige unumstößliche Regel erinnern, seit wir Freunde geworden sind, »da musst du doch erst deine Mutter fragen... oder?«
»Ich habe sie gerade gefragt«, entgegnet er in einem eigenartigen Ton. »Ich habe gebetet und sie dort gefragt, wo sie jetzt ist. Mama, habe ich gefragt, wenn dein bester Freund in Not ist, was würdest du dann tun? Und dann war es ganz ruhig in meinem Herzen, und das bedeutet, dass sie mir zugestimmt hat.«
»Was sagst du da?«, frage ich nach, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich ihn richtig verstanden habe. So wie Siphos Stimme jetzt klingt, kenne ich ihn gar nicht.
Aber er scheint alles gesagt zu haben, was ihm wichtig ist. Sipho ist kein Mann von vielen Worten. Er nimmt nur meine Hand, zieht mich hoch, bis ich vor ihm stehe, und geht dann schweigend voraus zur Hütte. Als ich zögere, ihm zu folgen, dreht er sich um und winkt. Er wartet, bis wir beide vor der Tür angekommen sind, und stößt sie dann weit auf.
» Molweni , Themba…«, sagen seine drei jüngeren Geschwister wie aus einem Mund und schauen gespannt zu mir her. Ich sehe auf einen Blick, dass sonst niemand im Raum ist. Das größte Bett ist ordentlich zurechtgemacht, eine saubere Decke liegt darauf, sogar frische Blumen stehen am Kopfende.
»Mama ist vor vier Monaten gestorben«, sagt Sipho so leise, dass ich es kaum hören kann. »Außer uns weiß es niemand.«
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»Sie ist an AIDS gestorben«, fährt Sipho nach einem Räuspern fort. »Sie hatte solche Angst, dass jemand schlecht über sie reden könnte. Nicht mal zur Klinik wollte sie mehr gehen, weil sie nicht daran glaubte, dass ihr noch irgendetwas helfen kann. Über ein Jahr hat sie uns so daran gewöhnt, niemanden in die Hütte zu lassen und alles allein zu machen. Manche Nachbarn sind später von selbst weggeblieben, seit das Gerücht umging, dass Mutter jene unheimliche Krankheit hat.«
»Aber nachdem sie gestorben ist...«, frage ich vorsichtig nach.
»... haben wir alles so gemacht wie vorher auch. Ab und zu habe ich Glück und kriege an der Kreuzung einen Job für einen Tag. Manchmal lässt mich unser alter Nachbar, Onkel Govan, seine Ziegen hüten, wenn er in die Stadt muss. Und im Garten haben wir ein bisschen Gemüse. Das reicht nicht immer, aber bisher sind wir nicht verhungert, und das ist besser, als wenn die Leute merken, dass Mutter tot ist, und uns von hier vertreiben. Die Hütte und der Garten sind das Einzige, was wir noch haben. Jabu und ich als die Ältesten haben beschlossen, dass wir um nichts in der Welt von hier weggehen wollen, jedenfalls nicht,
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