Themba
diese Richtung.
Big John steht in der Tür und winkt: »Sorry, hat länger gedauert im Büro. Hatte nicht mal Zeit, mich umzuziehen...« Mehrere begrüßen ihn ehrfürchtig. Andere, wie ich, halten eher respektvoll Abstand.
Als er mich in meiner Straßenkleidung mit den alten Arbeitsstiefeln sieht, ruft er über alle Köpfe hinweg: »Bist du Themba?«
»Ja«, rufe ich zurück.
Er winkt mich zu sich heran, und während ich zu ihm laufe, spüre ich die Blicke aller anderen Jungen auf mir.
Ikhaya labantwana
Das Haus der Kinder
Big John gibt mir die Hand, als wären wir alte Bekannte. Dann mustert er mich kurz und sagt leise: »Da drüben in der Kiste liegen gebrauchte Schuhe und Trikots. Such dir da was raus und beeil dich!«
Während ich mich umziehe, ruft er den anderen zu: »Ich hab nur eine halbe Stunde Zeit. Keine Faxen! Ich will euch als Team spielen sehen. Zwei Mannschaften, zweimal fünfzehn Minuten. Der Neue kriegt einen Platz im Mittelfeld, mir egal bei welcher Elf.« Er nickt dem jungen Trainer zu, der eilig ein paar Hinweise zur Aufstellung gibt, mich einer der beiden Gruppen zuteilt und das Spiel anpfeift.
Die ersten fünf Minuten bewege ich mich schrecklich unbeholfen. Ich hatte keine Zeit, meine Muskeln aufzuwärmen, wie die anderen. Und wie viele Monate habe ich schon nicht mehr gespielt? Gleichwohl gewinne ich an Sicherheit, als ich zum ersten Mal spüre, wie sehr Fußballschuhe helfen, sich schnell zu bewegen oder scharf abzustoppen. Und die anderen Jungen sind richtig gut - kaum ein Pass, der nicht genau auf den Mann gespielt wird. Jedem ist klar, dass es nicht um die Zahl der Tore geht, sondern um die Leistung jedes Einzelnen. Während wir spurten, dribbeln, Pässe schießen, angreifen oder eine stabile Verteidigung aufbauen, steht Big John ruhig am Spielfeldrand und beobachtet. Ab und zu zieht er ein Fernglas aus seiner Jackentasche und folgt dem einen oder anderen von uns eine Weile genauer. Als die zweimal fünfzehn Minuten gespielt sind, ruft er uns zu: »Tut mir Leid, Jungs, ihr müsst noch eine Viertelstunde weiterspielen. Ich will mir ein paar von euch noch genauer anschauen.«
Natürlich murrt keiner, im Gegenteil. Solches Interesse kann nur Gutes bedeuten. Hat er eventuell sogar schon einen oder zwei der Jungen für sein A-Team im Auge?
Nachdem auch diese Runde abgepfiffen ist, laufen wir, nass geschwitzt und die meisten noch außer Atem, auf ihn zu. »Schön«, sagt er kurz. »Ich sehe Fortschritte. Zwei von euch kommen morgen um zehn Uhr zum Training.« Er zeigt auf einen der Stürmer und einen Verteidiger. Ich bin beeindruckt, dass er offensichtlich die meisten beim Vornamen kennt: »Brad und Lungelo - ihr kommt morgen früh zu meinem Team.« Alle andern klatschen den beiden Auserwählten Beifall, auch ich. Bevor er sich umdreht, um zurück in die Sporthalle zu gehen, winkt er mir zu: »Themba, komm eben zu mir.«
Während sich die anderen erschöpft auf den Rasen fallen lassen, renne ich hinter ihm her. Am Eingang zur Halle streife ich erst die Fußballschuhe ab und laufe dann barfuß auf ihn zu.
»Warum hast du mich angerufen?«, fragt er ohne Umschweife.
Ich setze alles auf eine Karte: »Meine Mutter ist hier in Kapstadt sehr krank geworden. Darum bin ich schon eine Weile nicht mehr in Qunu. Ich muss unbedingt irgendwo Geld verdienen, um ihr helfen zu können.« Ich schaue ihn kurz an, um zu sehen, ob er noch zuhört. »Ich wollte fragen, ob Sie irgendeinen Job für mich haben. Ganz egal was. Ich kann Ihr Auto waschen oder in Ihrem Garten Gras mähen oder...«
Er unterbricht mich und sagt ohne jede Gefühlsregung: »Ich habe keinen Job für dich.«
Plötzlich komme ich mir vor wie ein Vollidiot. Was habe ich mir da bloß eingebildet zu glauben, der große Big John könnte einen Job für mich haben. Ausgerechnet. So naiv kann ja wohl nur so ein Provinzler vom Lande sein, wie ich es bin. Völlig bekloppt.
Ich murmle leise: »Sorry...«, und wende mich ab, um die Halle zu verlassen. Doch er hält mich am Arm fest.
»Ich habe keinen Job, Junge, weil ich will, dass du ab jetzt bei uns Fußball spielst. Jeden Tag, nichts anderes, nur trainieren, trainieren, trainieren! Drei Monate lang. Dann will ich dich wiedersehen. Einverstanden?«
Mir klappt die Kinnlade herunter und ich stehe vor ihm wie betäubt. Kein vernünftiges Wort kommt aus mir heraus, aber er wartet die Antwort gar nicht ab. Mit Widerspruch scheint er nicht zu rechnen.
»Okay«, sagt er, und zum ersten Mal
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