Themiskyra – Das Versprechen (Band 2) (German Edition)
alleine nicht besonders weit kam. Unser stiller Machtkampf dauerte nur eine Minute, dann gab ich auf. Welche Wahl hatte ich? Ich konnte ihr ja schlecht davonlaufen. Und selbst wenn ich versuchte, es Philippa gleichzutun und Atalante zu erpressen – was ich kategorisch a blehnte – würde sie mich nur umso länger wegsperren.
Sie führte mich den Gang entlang, bis wir zwei Flügeltüren erreichten, aus deren dunklem Holz florale Ornamente herausgeschnitzt waren. Ich kannte den Zugang, doch ich hatte nie die Gelegenheit gehabt, in die Räumlichkeiten dahinter einen Blick zu werfen, die lapidar als Tempel bezeichnet wurden. Atalante drückte die Türen auf und mit Entsetzen erkannte ich, dass das Tempelzimmer keine Fenster hatte.
Ich starrte ins Dunkel vor mir. Das Exil.
Kapitel 23
Erst als Atalante einige Kerzen entzündet hatte, konnte ich sehen, was vor mir lag. In der Mitte des etwa zehn auf zehn Meter großen Raums diente ein massiver, ebenfalls verzierter Holztisch offenbar als eine Art Altar. Daneben stand eine große kupferne Feuerschale, über der ein Abzug in die Decke gemauert war. Eine Vielzahl von bunten Sitzkissen bedeckte den weißen Marmorboden. Die ansonsten kahlen Wände waren mit abstrakten Mosaiken geschmückt. Außerdem fand ich eine schmale Couch, ein Regal mit alten Büchern und eine Anrichte vor. Das war's. Ich überlegte gerade, ob von mir erwartet wurde, dass ich mir aus den Sitzkissen ein Schlaflager baute, da öffnete Atalante eine unauffällige weiße Tür an der hinteren Wand, die ich bisher übersehen hatte. Tageslicht strömte herein und ich atmete auf.
„Hier ist das Bad“, hörte ich ihre Stimme hallen und beeilte mich, ihr zu folgen. „Und dort dein Schlafzimmer.“
Dieser Raum war ebenfalls vollkommen schlicht eingerichtet und beherbergte lediglich ein schmales Bett, einen Nachttisch und einen Schrank, aber es hatte jeweils ein Fenster an der Nord- und der Westseite. Außerdem befand sich an einer Wand etwa vierzig Zentimeter über dem Bodenniveau etwas, das aussah wie ein überdimensionaler Briefkastenschlitz. Atalante bemerkte meinen verwunderten Blick und erklärte knapp: „Für das Essen.“
Dann wandte sie sich zum Gehen.
„Warte“, rief ich.
Sie sah mich fragend an.
„Was …“, ich zuckte mit den Schultern, „… was soll ich denn nun eigentlich hier machen?“
Ihre Miene verhärtete sich. „Bete. Bete um deine Seele. Bitte die Göttin um Verzeihung, vielleicht kannst du sie gnädig stimmen.“ Mit diesen Worten verließ sie mich.
Ich hörte, wie die Flügeltüren zugeworfen wurden und ein Schlüssel mehrfach im Schloss herumgedreht wurde. Mit einem Mal war mir alles zu eng. Ich stürzte zu den Fenstern, riss sie auf und ließ mich aufs Bett fallen. Erleichtert atmete ich den frischen Sauerstoff ein, spürte kühle Luft über meine Haut streichen und erschnupperte den würzigen, von Holzfeuer angereicherten Herbstduft, der hereinwehte.
Es war kalt und dämmrig im Raum geworden, als ich orientierungslos aus dem Schlaf hochschreckte.
Das Exil, erinnerte ich mich. Fröstelnd wickelte ich mich in eine der Decken, die auf dem Bett lagen, und zündete die Kerze auf dem Nachttisch an.
„Ell!“
Mit meinem Blutdruck kämpfend schwankte ich durchs Zimmer und ließ mich auf dem Boden vor dem Wandschlitz nieder. Eine kleine Hand streckte sich hindurch, die ich sofort erkannte. Ich drückte sie und sie drückte zurück.
„Hallo Polly.“
„Sie hat dich wieder eingesperrt.“
„Sie muss. Sie weiß genau, dass mich sonst keine zehn Pferde hier halten würden.“
Ein erstickter, gequälter Laut von jenseits der Wand machte mir klar, dass ich schon wieder das Falsche gesagt hatte, und ich verdammte mich dafür.
„Hier im Haus, meine ich“, versuchte ich, die Situation zu retten. „Sonst würde ich sofort wieder zu Louis laufen und das versucht sie zu verhindern.“
Polly sagte nichts, aber der Druck auf meine Hand verstärkte sich.
„Soll ich ihm Bescheid sagen, dass du hier bist und ihn nicht treffen kannst?“, schlug sie nach einer Weile vor.
Ja!!! rief mein Herz, aber die Welle schlechten Gewissens, die Atalante vorhin in mir aufgerührt hatte, überspülte mich erneut. „Nein“, brachte ich hervor.
„Was?“
„Nein.“
„Wieso?“
„Weil ich dich schon viel zu weit da mit hineingezogen habe.“
„Du bist erst seit ein paar Stunden da drin und fürchtest jetzt schon um meine Seele? Ha.“ Sie schnaubte auf. Wann war sie so
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