Themiskyra – Das Versprechen (Band 2) (German Edition)
Mal alle Treppen nach oben und warf meiner Tante die Tür der Bibliothek wortlos vor der Nase zu. Dann sah ich mich um. Nichts als alte Wälzer. Halt, es gab eine Sektion bei den Karten, wo ich auch Reiseführer gesehen hatte, als ich mit Polly die Route für unseren Erntetrip geplant hatte. Die Erinnerung daran versetzte mir einen Stich, aber ich erlaubte mir nicht, wieder in elegische Trauer zu verfallen, sondern zog diverse Bücher aus dem entsprechenden Fach. Nach einer Weile wurde ich in einem dünnen Band über die Region fündig. Neben Wanderrouten wurden auch Freizeittipps aufgeführt, unter anderem – Bingo! – die Wellness-Oase BoraBora in Kaplica, deren Besuch dem Leser besonders an kühlen Herbsttagen ans Herz gelegt wurde.
„Kaplica …“, überlegte ich laut und zerrte eine der Wanderkarten aus dem Regal. Ich breitete sie auf dem Boden aus und begann zu suchen. Fast hätte ich den kleinen Ort übersehen, der offenbar nur durch die Badebesucher belebt wurde, etwa fünfzig Kilometer südwestlich von Villago. Fieberhaft übertrug ich die wesentlichen Bestandteile des Kartenausschnitts auf ein weißes Papier.
Ich hatte meine Karte gerade in meine Hosentasche eingesteckt und war dabei, die Bücher wieder kreuz und quer ins Regalfach zu stopfen, da drangen Laute aus dem Hof an meine Ohren. Pferdehufe, die über den Kies stoben und ihn dabei aufwirbelten. War Atalante schon zurück? Mit Polly? Ich sprang auf und humpelte zum nächsten der hohen Fenster. Ach, vergebene Hoffnung … Es waren nur Reiterinnen, die die Stadt verließen, keine, die heimkehrten. Dann riss ich die Augen auf. Das durfte nicht wahr sein.
Kapitel 11
„Tetra!“, schrie ich und trommelte gegen die Fensterscheibe, aber die Amazone konnte mich natürlich nicht hören, ich war viel zu weit oben und das Fenster ließ sich nicht öffnen. Nur die Oberlichter waren gekippt.
„Verdammt!“, fluchte ich aus vollem Herzen, dann rannte ich auf bewährte Zehenspitzenweise wieder hinunter und über den Hof. In meiner Eile merkte ich zuerst gar nicht, dass Areto mir nicht auf den Fersen war. Ich wusste, dass ich keine Chance hatte, Tetra noch einzuholen, schon gar nicht zu Fuß, aber ich musste zumindest versuchen, sie auf mich aufmerksam zu machen.
Ich schrie ihren Namen, aber als ich am Tor ankam, sah ich die Patrouille gerade im Wald verschwinden. Entsetzt schloss ich die Augen. Was sollte ich jetzt machen? Selbst wenn mir die anderen Glauben schenken würden, könnten sie doch nichts ausrichten – meine Mutter war weg, Tetra war weg. Wieso war sie so schnell wieder aufgebrochen? Sie konnte höchstens fünf Stunden geschlafen haben. Warum hatte mir Areto nichts gesagt? Wo war sie überhaupt? Ein erneuter Hoffnungsfunke stieg in mir auf. Vielleicht ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um ihr zu entwischen? Als ich die Augen wieder öffnete, standen mir Johanna und Tawia mit verschränkten Armen und wie üblich bis an die Zähne und darüber hinaus bewaffnet gegenüber und musterten mich abwartend.
„Geh besser wieder hinein“, schlug mir Johanna freundlich vor.
Ich sah an ihnen vorbei, rechnete mir meine Chancen aus, erstens an ihnen vorbeizukommen und mich zweitens auf der Flucht nicht einholen zu lassen. Sie standen gleich null.
„Denk gar nicht dran. Deine Mutter häutet uns bei lebendigem Leib, wenn wir dich entwischen lassen.“
„Johanna, ich muss mit Tetra reden! Es ist wirklich wichtig“, sagte ich flehend. „Wenn ich sofort losreite, könnte ich sie noch einholen.“
„Ich kann nichts machen. Es tut mir wirklich leid, aber Atalante war sehr präzise in ihren Anordnungen.“
„Bitte. Bitte! Bittebittebitte!“ Ich wäre vor ihr auf die Knie gefallen, aber ihr Blick sagte mir, dass nicht mal ein weiterer Weltuntergang sie dazu bringen würde, die Anweisungen der obersten Befehlshaberin zu missachten. Zu diesem Zeitpunkt hätte ich fast aufgegeben.
Fast.
„Wo reitet sie hin?“
„Sie sehen sich die Strecke Richtung Basowald noch einmal bei Tageslicht an.“
Ohne einen weiteren Kommentar wandte ich mich um. Ich hatte noch eine weitere Möglichkeit. Ob sie klappte, war höchst fraglich, aber ich würde nichts unversucht lassen. Wenn ich versagte, konnte ich immer noch zusammenbrechen. Schnurstracks lief ich zu Dante in die Färberei.
Als ich eine dreiviertel Stunde später wieder aus dem Gebäude trat, erwartete mich Tianyu, die Areto offenbar abgelöst hatte. Ich verdankte es wohl nur dem Geruch des Färbesuds, dass
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