Themiskyra – Die Begegnung (Band 1) (German Edition)
fand es ohnehin komisch, dass man in diesem unförmigen Zustand überhaupt noch irgendetwas machen konnte, aber als ich das mal im Beisein der anderen Amazonen erwähnt hatte, waren gleich irgendwelche verstörenden, blutigen Anekdoten auf mich herabgeprasselt, die heroische Geburten im Schützengraben beinhalteten, deshalb hatte ich lieber den Mund gehalten.
Ich mühte mich also gerade selbst mit dem breiten Holztisch ab, als ich Padmini plötzlich scharf einatmen hörte, und sah auf. In ihrem Gesicht spiegelten sich Schmerz und zugleich entsetzte Überraschung, während sie sich am Tisch festhielt und sich krümmte. Eilig ließ ich den Lumpen fallen und lief zu ihr.
„Geht's jetzt los?“, fragte ich überflüssigerweise.
„Keine Ahnung“, schnaufte sie. „Aber ich hoffe, es ist bald vorbei. Geht schon zwei Tage so, aber nicht so … heftig.“
Ich sah mich eilig um, aber außer uns war niemand mehr im Saal.
„Ich laufe schnell und hole Hilfe.“ Ehe ich flüchten konnte, packte mich Padmini mit erstaunlich festem Griff am Oberarm und fauchte mich an:
„Du hast mir den ganzen Mist eingebrockt – du bleibst hier!“
Ich schluckte. Widerspruch war in diesem Fall vermutlich nicht ratsam. „Ich bleibe bei dir“, versprach ich ihr, „aber wir gehen jetzt zu Deianeira und Sevishta, okay?“
„Okay“, erwiderte sie gequält.
Sobald die Wehe komplett abgeklungen war, machten wir uns auf den Weg ins Nachbargebäude. Als wir auf den Hof traten, kamen mehrere Amazonen angelaufen um zu helfen und nichts hätte ich lieber getan, als ihnen Padmini zu überlassen, aber sie hatte meinen Arm immer noch schraubstockgleich im Griff. Ich hatte keine Chance, mich unbemerkt davon zu machen. Die nächste Wehe ereilte sie in der Eingangshalle des Kliniktrakts, aber dann schafften wir es bis in den kleinen Kreißsaal. Dort nahm sich Sevishta ihrer ganz geschäftsmäßig an und befreite mich auch von Padminis eiserner Hand.
Ich hatte es schon bis zur Tür geschafft, hatte bereits die Hand an der Klinke, da hörte ich Sevishtas strenge Stimme hinter mir: „Du bleibst da, ich kann Hilfe gebrauchen.“
Ich erstarrte und ging im Geiste mögliche Ausflüchte und Entschuldigungen durch, aber nichts war plausibel oder gerechtfertigt und so drehte ich mich langsam wieder um.
„Außerdem ist es üblich, dass eine weibliche Familienangehörige der Entbindung beiwohnt und der Gebärerin hilft. Padmini hat keine Schwester, also ist es nur recht und billig, wenn du dich um sie kümmerst“, fuhr die Ärztin fort.
Ich glaubte, einen flehenden Ausdruck durch Padminis schmerzverzerrten Ingrimm blitzen zu sehen. Schicksalsergeben schlurfte ich wieder zurück.
In den folgenden Stunden bereute ich mein vorschnelles Einlenken mehr als einmal. Ich hatte in meiner Zeit in Themiskyra schon einige Geburten von Fohlen, Lämmern und Ferkeln miterlebt, aber das hier war definitiv eine andere Liga. Eins wurde mir jedenfalls mit aller Deutlichkeit klar: Niemals würde ich mich freiwillig als Yashta melden, selbst wenn Polly bis zum Rest meines Lebens den Stall- und Tischdienst für mich übernehmen würde.
Die Sonne stieg auf und ich schloss die Vorhänge, die Sonne überschritt ihren Zenit und ich kochte Himbeerblättertee, dunkle Wolken überzogen den Himmel und ich öffnete die Vorhänge, die Sonne brach rotgolden zwischen den Wolkenbänken hervor und ich kochte Melissentee, die Sonne ging unter und ich machte das elektrische Licht an, Dunkelheit brach herein und ich schloss die Vorhänge erneut, es begann zu regnen und ich kochte Ingwertee mit Honig. Und das Betrachten der Wetterphänomene, das Erhitzen von Wasser sowie das Hin- und Herzerren von Stoffbahnen war bei weitem das Angenehmste, was ich an diesem Tag erlebte.
Ich hatte Mitleid mit Padmini, aber ich war auch sauer, dass sie mich da mit reingezogen hatte – wobei sie auf mich mindestens genauso wütend zu sein schien, ihren Beschimpfungen und dem festen Griff nach zu urteilen, mit dem sie meinen Arm bei jeder der unzähligen Wehen umklammert hielt.
Als es dann endlich vollbracht war und Sevishta mich vom Kopfende des Bettes zu sich rief, um mir wortlos ein kleines, schreiendes, in ein sauberes Handtuch verpacktes Bündel in den Arm zu drücken, fühlte ich doch Staunen und Ehrfurcht in mir aufsteigen. Ein richtiger kleiner Mensch. Irgendwie zerdrückt und armselig, aber doch ein Wunder … Ich riss mich vom Anblick des Kindes los, den undefinierbar blaugrauen Augen, dem
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